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Machtkampf zwischen Guatemalas künftigem Präsidenten und der Justiz

In Guatemala geht der Machtkampf zwischen der Justiz und dem Sieger der Präsidentschaftswahl, Bernardo Arévalo, in die nächste Runde. Dessen Partei Semilla wurde vom Wahlgericht am Montag (Ortszeit) mit einem vorläufigen politischen Betätigungsverbot belegt. Der 64-jährige Sozialdemokrat bezeichnete die Suspendierung als "vollkommen illegal". Arévalo soll sein Amt in dem zentralamerikanischen Land im Januar antreten.

Arévalos Partei Semilla sei vorläufig suspendiert worden, hieß es in der Mitteilung des Obersten Wahlgerichts (TSE). Zugleich bestätigte TSE-Generalsekretär Mario Velásquez  offiziell, dass Arévalo die am 20. August abgehaltene Stichwahl um das Präsidentenamt gewonnen habe. Sein Mandat gilt demnach für vier Jahre.

Arévalo sagte bei einer Pressekonferenz, die Entscheidung gegen seine Partei sei illegal und erfolge in einem "Prozess der politischen Verfolgung", in dem die Justiz "auf illegale Weise" gegen Semilla sowie seine Präsidentschaftskandidatur eingesetzt werde.

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) kritisierte die Suspendierung von Arévalos Partei als "missbräuchliche Interpretation des Rechts", die "keinerlei Grundlage oder ausreichend bewiesenen Grund" habe.

Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in dem zentralamerikanischen Land am 25. Juni hatte Richter Fredy Orellana auf Antrag des Staatsanwalts Rafael Curruchiche das TSE angewiesen, Semilla zu suspendieren und mutmaßliche Unregelmäßigkeiten bei der Registrierung von Mitgliedern während der Parteigründung im Jahr 2017 zu prüfen. 

Die Wahlbehörde war der Anordnung damals mit der Begründung nicht gefolgt, dass es nicht möglich sei, mitten im Wahlprozess die Aktivitäten einer Partei auszusetzen. Nach der Wahl kam die TSE der Aufforderung nun aber nach. 

Richter Orellana und Staatsanwalt Curruchiche stehen beide auf einer US-Liste von Bürgern zentralamerikanischer Länder, die mit "Korruption und antidemokratischen Aktivitäten" in Verbindung gebracht werden.

Nach Einschätzung von Juristen hat die Suspendierung von Arévalos Partei keine Konsequenzen für seine Amtsübernahme, die am 14. Januar kommenden Jahres erfolgen soll. Allerdings wirke sich die Entscheidung auf Semilla-Mitglieder im Kongress aus, indem sie diese etwa daran hindere, den Vorsitz eines Parlamentsausschusses zu übernehmen.

Generalstaatsanwältin Consuelo Porras geht schon länger gegen Semilla vor. Tausende Menschen in Guatemala gingen daher auf die Straße, um ihre Entlassung zu fordern. Am Montag wies das Verfassungsgericht Porras' Forderung zurück, die Demonstranten festzunehmen und die Veröffentlichung von an sie gerichtete Rücktrittsforderungen in Online-Netzwerken zu unterbinden.

Arévalo hatte die Präsidentschaftswahl mit deutlichem Vorsprung gegenüber seiner Rivalin Sandra Torres gewonnen. Im Wahlkampf hatte er sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben.

Guatemala gehört nach Angaben der Organisation Transparency International zu den korruptesten Ländern der Welt. Außerdem leidet das Land unter Armut und Gewalt. Jedes Jahr wandern daher tausende Guatemalteken in die USA aus. Die Geldsummen, die sie von dort an ihre Familien in der Heimat überweisen, machten vergangenes Jahr 19 Prozent des Bruttoinlandsproduktes von Guatemala aus.

yb/ju