In Belarus ist der langjährige Amtsinhaber Alexander Lukaschenko trotz Betrugsvorwürfen der Opposition und gewaltsamen Protesten mit tausenden Festnahmen zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt worden. Wie die Wahlkommission am Montag mitteilte, wurde Lukaschenko mit mehr als 80 Prozent der Stimmen für eine sechs Amtszeit wiedergewählt. Die Opposition erkannte das Ergebnis nicht an. Die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja erklärte sich selbst zur Wahlsiegerin und forderte Lukaschenko zum Rückzug auf.
Laut dem vorläufigen Ergebnis, das Wahlleiterin Lidija Jermoschina am Montag verkündete, erhielt der seit 26 Jahren mit harter Hand regierende Lukaschenko 80,2 Prozent der Stimmen. Tichanowskaja kam demnach auf 9,9 Prozent.
Tichanowskaja sagte bei einer Pressekonferenz, sie betrachte sich selbst "als die Gewinnerin dieser Wahl". Die Regierung müsse sich überlegen, "wie sie die Macht friedlich an uns übergeben kann", sagte die 37-jährige Frau des Bloggers Sergej Tichanowski, der selbst inhaftiert und von der Wahl ausgeschlossen worden war. Sie warf der Regierung vor, sich mit Gewalt an die Macht zu klammern.
Ungeachtet eines Demonstrationsverbots gingen am Sonntagabend in der Hauptstadt Minsk tausende Menschen auf die Straße. Die Sicherheitskräfte gingen mit Schockgranaten, Wasserwerfern und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor. Bilder in den Online-Netzwerken zeigten Demonstranten, die mit blutüberströmten Gesichtern durch die Straßen liefen, bewegungslos am Boden lagen oder von Polizisten weggeschleppt wurden.
Dem Innenministerium zufolge wurden landesweit rund 3000 Menschen festgenommen und 50 Zivilisten und 39 Polizisten verletzt. Angaben von Aktivisten, wonach bei den Zusammenstößen auch ein Demonstrant getötet wurde, wies das Ministerium zurück. Die Menschenrechtsorganisation Viasna hatte zuvor mitgeteilt, ein junger Mann sei bei den Protesten von einem Polizeiauto angefahren worden und habe eine tödliche Kopfverletzung erlitten.
Lukaschenko bezeichnete die Demonstranten als vom Ausland ferngesteuerte "Schafe". Die Behörden hätten Anrufe aus Polen, Großbritannien und Tschechien abgehört, über die die Demonstranten "gesteuert" worden seien, sagte der 65-Jährige, der oft als "letzter Diktator Europas" bezeichnet wird.
Zugeständnisse machte Lukaschenko nicht. Er habe schon vor der Wahl gewarnt, dass es in Belarus keinen "Maidan" geben werde, sagte er mit Blick auf die Proteste auf dem Maidan-Platz in Kiew, die 2014 zum Sturz des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch geführt hatten. Er forderte die Menschen auf, sich zu "beruhigen" und drohte andernfalls mit einer "angemessenen Reaktion" der Behörden: "Wir werden nicht zulassen, dass sie das Land auseinanderreißen."
Tichanowskaja kritisierte das harte Vorgehen gegen die Demonstranten und sprach von "unverhältnismäßigen Maßnahmen" der Polizei. Die gelernte Deutsch- und Englischlehrerin ohne politische Vorerfahrung hatte in den vergangenen Wochen massiv an Zustimmung gewonnen, obwohl die Behörden hart gegen die Opposition vorgegangen waren und immer wieder Mitstreiterinnen Tichanowskajas festgenommen hatten.
Die Bundesregierung äußerte "große Zweifel" an dem Wahlergebnis. Es sei "ganz offenkundig", dass "die Mindeststandards für demokratische Wahlen nicht eingehalten wurden", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Die Berichte über Wahlfälschung seien "glaubhaft". Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte, die Hoffnungen auf mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Belarus hätten mit der Wahl "mehr als nur einen herben Rückschlag erlitten".
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte die belarussischen Behörden auf, die Wählerstimmen "exakt auszuzählen und zu veröffentlichen". Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki fordert einen EU-Sondergipfel zur Lage in Belarus. Seibert sagte, die EU müsse über eine "gemeinsame und angemessene" Reaktion auf die Wahl beraten.
Der russische Präsident Wladimir Putin und der chinesische Staatschef Xi Jinping gratulierten Lukaschenko hingegen zu seinem Wahlsieg.
by Von Tatiana Kalinovskaya