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Lokführer kündigen Streik an - Bahn verringert Fernverkehrsangebot

Personenverkehr ab Mittwochfrüh für 48 Stunden betroffen

Bahnreisende müssen sich bundesweit auf Zugausfälle und Verspätungen einstellen: Im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn (DB) hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zu Streiks aufgerufen. Wie GDL-Chef Claus Weselsky in Frankfurt am Main sagte, soll die erste Arbeitskampfmaßnahme am Dienstagabend ab 19.00 Uhr im Güterverkehr beginnen, um 02.00 Uhr am Mittwochmorgen sollen dann Streiks im gesamten Personenverkehr und auch der Infrastruktur folgen. Die Bahn reagierte mit Ersatzfahrplänen und kritisierte die Streiks als "unnötig und völlig überzogen".

Dauern sollen die Arbeitskampfmaßnahmen bis Freitagmorgen um 02.00 Uhr. Mit diesem Zeitfenster versucht die GDL nach eigenen Angaben, den Ferien- und Wochenendverkehr nicht zu stark zu beeinträchtigen.

Laut Gewerkschaftschef Weselsky hatten in einer Urabstimmung der GDL 95 Prozent der Teilnehmenden für die Maßnahmen gestimmt. "Das ist mehr als wir erwartet haben", sagte er. Die Wahlbeteiligung lag demnach bei rund 70 Prozent.

Weselsky wertete das Abstimmungsergebnis als Zeichen der Unzufriedenheit in der Belegschaft der DB. "Wir haben vor, dem Management zu zeigen, dass die eigenen Mitarbeiter unzufrieden sind, mit dem was hier läuft", sagte er.

Das Management der DB habe mit Scheinangeboten versucht, der Öffentlichkeit ein "Zerrbild" zu vermitteln, kritisierte Weselsky. "Nichts davon ist Realität", sagte er weiter. Das zuletzt von der Arbeitgeberseite vorgelegte Angebot sei "nicht verhandelbar". Nun werde die GDL "dazu gezwungen, in Arbeitskampfmaßnahmen einzutreten", um ein verbessertes Angebot zu bekommen.

Der GDL-Chef gab dem Management der Deutschen Bahn die Schuld für die Eskalation mitten in der Ferienzeit. "Wer den Arbeitnehmern in die Taschen greifen will und sich selbst schamlos bedient, hat eine Antwort verdient, wie wir sie geben werden", sagte Weselsky. Die Gewerkschaft sei sich ihrer Verantwortung bewusst. Jedoch: Es gebe "keinen günstigen Zeitpunkt" für einen Streik, "nicht mal nachts".

Die Bahn kritisierte die Ankündigung der GDL scharf und sprach von einer "unnötigen Eskalation auf dem Rücken der Bahnkunden". "Die GDL-Spitze eskaliert zur Unzeit", erklärte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. "Gerade in einem systemrelevanten Bereich wie der Mobilität gilt es jetzt, sich an den Verhandlungstisch zu setzen und nicht unsere Kunden zu belasten." Kritik gab es auch an der Kurzfristigkeit der angekündigten Maßnahmen.

Die Bahn reagierte mit einem Ersatzfahrplan auf den angekündigten Streik. Ab Mittwochmorgen fahre der Fernverkehr nur noch mit 25 Prozent Kapazität, auch im Nahverkehr müsse mit Einschränkungen gerechnet werden, erklärte die Bahn. Bereits gebuchte Fahrkarten für betroffene Strecken behalten ihre Gültigkeit demnach bis zum 20. August, die Zugbindung entfällt. Auch eine kostenfreie Erstattung der Zugtickets ist möglich.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bezeichnete die Eskalation am Dienstag als "bedauerlich". Alle Beteiligten müssten ein Interesse daran haben, das Vertrauen in die Bahn als zuverlässiges Verkehrsmittel aufrecht zu erhalten. "Deshalb sollten beide Seiten schnellstmöglich an den Verhandlungstisch zurückkehren, denn nur hier kann eine Lösung gefunden werden", erklärte Scheuer.

Der Städte- und Gemeindebund rief die GDL auf, bei ihrem Arbeitskampf die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Die Reisenden dürften nicht die Leidtragenden des Streiks sein, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch verteidigte die GDL gegen Kritik. Verantwortlich für den Arbeitskampf sei die Konzernleitung. Bartsch forderte den Bund als Eigentümer auf, den Streik mit einem Einigungsangebot abzuwenden.

Weitere Streiks über den Freitag hinaus will die Gewerkschaft nun vom Verhalten der Arbeitgeberseite abhängig machen. Die Bahn hält eine Einigung über die "materiellen Forderungen für möglich" und rief die GDL zurück an den Verhandlungstisch.

by Christof STACHE