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Löbau (Sachsen) – Der Wolfsmensch: Ein Leben in der Wildnis

Er kennt sie alle: Diese Momente, wenn Du ganz allein in der Natur bist, Jahreszeiten, Wind und Wetter ausgesetzt bist, wie zur Steinzeit lebst: Schutz, Nahrung, Wärme – das sind die größten Instinkte, ohne die auch der Wolfsmensch aus dem Harz wohl keine Chance hätte.

Jürgen Wagner (59), besser bekannt als Waldmensch „Öff Öff“, hat selbst 13 Jahre unter freiem Himmel gelebt. Erst als „freiwillig Obdachloser“, wie er sagt. Und dann sechs Jahre in seinem Projekt Biotopia in Löbau in der Lausitz, wo er nur von dem lebte, was ihm Mitmenschen und die Natur schenkten. Hier erzählt er, wie er im Wald überlebte.

Wasser - ein lebenswichtiges Element

„Wenn Du kein Wasser hast, bist Du nach ein paar Tagen tot. Dazu kann man entweder eine gefundene oder mitgebrachte Plane wie einen Trichter in die Bäume hängen und das ablaufende Regenwasser oder Schnee dann in einem Gefäß auffangen. Oder man trinkt aus sauberen Flüssen. Ich hab mir damals eine Lehmgrube gebaut, wo das gesammelte Regenwasser schlecht ablaufen konnte. Zum Graben im Waldboden hab ich Äste und spitze Steine verwendet“, so Öff Öff. Im Winter sollte man ein Wasserbehältnis im Boden vergraben, wo es frostfrei ist.

Essen aus der Natur

Der Aussteiger lebte jahrelang im Wald in Sachsen, sammelte Streuobst für den Winter. „Man kann Wildkräuter und Blätter essen, es gibt genug Brennnesseln, Löwenzahn, Schafgarbe. Wenn man kein Pflanzen-Bestimmungsbuch dabei hat, rate ich zur radikalen Selbsterfahrungsmethode“, so der Naturmensch. Heißt: Erstmal an der Pflanze riechen oder lecken, dann winzige Stückchen probieren, um zu sehen, ob der Körper evtl. auf Gift in der Pflanze reagiert. „Durch die pflanzliche Kost wird man schlanker und der Körper entschlackt“, so Öff Öff. Aber fürs Protein dürfen's dann auch mal Heuschrecken, Regenwürmer oder Schnecken sein... Für den Winter sammelte er Äpfel und Nüsse, vergrub sie in einem Erdloch.

Die richtige Kleidung für das Leben im Wald

„Ich gehe mal davon aus, dass auch der Wolfsmensch Kleidung hatte, als er in den Wald ging. Die sollte stabil sein und vor allem, wenn's kühler wird, in mehreren Lagen getragen werden.“

Unterkunft und Wärme

„Je nachdem, wie gemütlich man es haben will, kann man vom einfachen Unterstand aus Ästen mit einer Folie oder Getreidehalmen eine Art Tipi bauen. Besser noch ist eine Jurte aus Ästen und Brettern, wie ich sie in Löbau hatte. Dort hab ich ein ganzes Jahr lang mit Frau und Kind gewohnt - sogar im Winter!“ In der kalten Jahreszeit hatte sich Öff Öff dort eine Brennstelle aus Steinen gebaut, über ein altes Ofenrohr zog der Rauch ab. „Aber dann sind wir sogar ganz ohne Heizung ausgekommen. Wir haben uns Bettbezüge mit Schafwolle vollgestopft – die ist ideal, da sie selbst, wenn sie feucht wird, noch wärmt und dazu auch nicht schimmelt“, so seine Erfahrung. Schlafen kann man auf einer Unterlage aus trockenen Blättern, Gras und Stroh. „Man muss sich ein Nest schaffen! Solange Du dich immer irgendwo trocken und warm hinlegen kannst, überlebst Du den Wald!“ Öff Öff habe im Winter sogar eine Art Winterschlaf gehalten, kam teils kaum aus dem Bett. Sparte mit der fehlenden Bewegung Energie.

Hygiene und geistige Gesundheit

Für die Körperhygiene im Winter empfiehlt er Eisbaden oder auch mal im Schnee rollen. „Das prickelt in den Adern und ist auch ein tolles Aphrodisiakum“, lacht er. Und was macht die Einsamkeit des Waldes mit dem Kopf? „Wichtiges Prinzip ist das organische Denken, damit man in der Natur nicht verblödet. Das ist eine Art Selbstgespräch mit deinem Bewusstsein: Ich suche mir die jeweils wichtigste Frage und versuche, die bestbegründete Antwort darauf zu finden. Und die Kernfrage aller Menschen ist doch: Was macht mich glücklich?“

Ein Leben in der Natur

Jürgen Wagner beantwortete die Frage für sich mit dem Leben in der Natur, inklusive diverser Beziehungsversuche (keine Freundin, eine Freundin, aber nur einmal Sex im Jahr, drei Frauen gleichzeitig). Es bleiben: Zwei Kinder (12, 18), seine Frau Anke Rochelt (51) und jetzt ein Kleinstadtleben mit Haus in Stadtallendorf (Hessen).