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Lockdown könnte nach Einschätzung von Braun noch längere Zeit erforderlich sein

Weiter Kritik aus der SPD an Spahns Impfstrategie

Nach Einschätzung des Bundes könnte der derzeitige Lockdown noch längere Zeit erforderlich sein, um die Corona-Zahlen entscheidend zu senken. Zwar seien die Neuinfektionen etwas zurückgegangen, sagte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU). Wenn es aber in dieser Geschwindigkeit weiter gehe, dauere es 15 Wochen, bis die Sieben-Tage-Inzidenz wie angestrebt unter 50 komme. In der SPD gab es erneut Kritik an der Impfstrategie von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Mit Blick auf einen möglicherweise lang anhaltenden Lockdown sagte Braun am Donnerstag den Sendern RTL und n-tv: "Das ist etwas, das will ich für unsere Volkswirtschaft nicht und auch nicht für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft." Der Kanzleramtschef nannte Versäumnisse im Oktober als Grund für die aktuell zugespitzte Corona-Lage und die damit verbundenen Einschränkungen. "Wir hätten schon Mitte Oktober entscheidender und deutlicher handeln müssen", sagte er.

Ausdrücklich bezog er sich dabei auf die Ministerpräsidentenkonferenz am 14. Oktober, als die Länderchefs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geforderte schärfere Schutzmaßnahmen verhindert hatten. Damals sei die zweite Welle der Pandemie bereits erkennbar gewesen, sagte Braun. Es sei jedoch der "Vorsprung, den wir den ganzen Sommer lang hatten", erst aufgebraucht worden, "bevor wir angefangen haben, dann konsequenter zu handeln".

Braun verwies auch auf die Gefahr der neuen Virus-Mutation. Bisher sei diese in Deutschland nur vereinzelt aufgetreten, nach Irland sei sie aber bereits geschwappt und sorge dort für hochschnellende Inzidenzen von 130 auf über 600.

Unterdessen sorgten die am Dienstag von Bund und Ländern verabredeten Kontaktbeschränkungen weiter für Kritik. Grünen-Chefin Annalena Baerbock warnte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe davor, Familien könnten von der Neuregelung, dass sich ein Haushalt nur noch mit einem weiteren Menschen treffen darf, überfordert werden. Die Maßnahmen müssten in der Lebensrealität der Menschen auch umsetzbar sein, sagte Baerbock.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) erfasste am Donnerstag 26.391 weitere Ansteckungsfälle. Die Sieben-Tage-Inzidenz - also die Zahl der Neuinfektionen in den vorangegangenen sieben Tagen pro 100.000 Einwohnern - lag damit bei 121,8. Das RKI registrierte zudem 46.332 neue Impfungen innerhalb eines Tages. Deren Gesamtzahl stieg damit auf 417.060.

SPD-Parteivize Kevin Kühnert sagte der Düsseldorfer "Rheinischen Post" und dem Bonner "General-Anzeiger", es dürfe kein "Schweigekartell" zu möglichen Versäumnissen und Pannen bei der Beschaffung des Impfstoffs geben. "Über den Jahreswechsel wurde indirekt immer wieder der Eindruck erweckt, der teils schleppende Impfstart sei von den Ländern verursacht worden."

Spahn habe gegenüber einzelnen Ländern "die exakten Lieferzusagen" zunächst nicht einhalten können, sagte Kühnert. "Es ist deshalb nachvollziehbar, dass sich die Länder nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen wollen." Der stellvertretende SPD-Chef hielt Spahn vor, zu zögerlich bei der Bestellung von Impfstoff gewesen zu sein. "Wenn ich die Nadel im Heuhaufen noch nicht finden kann, sie aber dringend brauche, dann kaufe ich doch erstmal zur Sicherheit den Heuhaufen, und zwar komplett."

Wegen des schleppenden Starts bei den Corona-Impfungen hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) einen vierseitigen Fragenkatalog erstellt. Dies sorgte für Verärgerung bei der Union.

by Soeren Stache