Unter vehementem Protest hat die Polizei in Berlin am Freitag ein linkes Hausprojekt im Stadtteil Friedrichshain geräumt. Wie die Beamten erklärten, wurden rund 60 Menschen aus dem Haus in der Liebigstraße 34 geführt. Dabei habe es vereinzelt Widerstand gegeben. Die Polizei leistete einem Gerichtsvollzieher demnach Amtshilfe bei der Vollstreckung eines Räumungsbeschlusses, nachdem er die Bewohner letztmals dazu aufgefordert hatte, das "widerrechtlich besetzte Gebäude" freiwillig zu verlassen.
Die Liebigstraße 34 wurde 1990 besetzt und versteht sich seitdem als "anarcha-queer-feministisches Hausprojekt". 2008 einigten sich die Hausbewohner mit dem Hausbesitzer, einem umstrittenen Berliner Immobilienunternehmer, auf einen zehnjährigen Pachtvertrag. Als dieser Vertrag zum Ende des Jahres 2018 auslief, sollten die Bewohner gehen - doch sie blieben im Haus, der Besitzer klagte auf Räumung.
Für die Bewohner und die linke Szene ist die "Liebig34" ein Schutzraum und Symbol. "Es braucht dringend Orte, an denen kollektives Leben ausprobiert werden kann", erklären die Bewohnerinnen auf ihrer Website. "Die Räumung der Liebig34 ist ein Gewaltakt, denn Menschen gewaltsam ihren Wohn- und Schutzraum zu nehmen, ist menschenverachtend". Das Hausprojekt besteht neben Wohnungen außerdem aus einem Infoladen und einer Bar.
Doch damit ist jetzt Schluss - am Donnerstag hatte das Berliner Kammergericht einen Antrag der Hausbewohner auf Aussetzung der Zwangsvollstreckung abgelehnt und damit grünes Licht für die Räumung gegeben. Um 07.00 Uhr begannen Beamten damit, sich Zugang zum Haus zu verschaffen. Laut Polizeisprecher vor Ort dauerte dies mehrere Stunden. Zwischen 11.00 und 12.00 Uhr war die Räumung laut Polizei beendet. Es gab Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung. Ob es Festnahmen gab, konnte der Sprecher nicht sagen.
Ein Bausachverständiger sollte laut Polizei nach der Räumung die einzelnen Räume begutachten, im Anschluss sollte das Haus an den Gerichtsvollzieher übergeben werden. Da Proteste erwartet wurden, rückte die Polizei zu einem Großeinsatz aus. Um die "Liebig34" versammelten sich laut Polizei rund 1500 Demonstranten. Nach der Räumung blieben rund 500 von ihnen vor Ort und protestierten mit Sprechgesängen und Parolen.
In den umliegenden Straßen seien eingesetzte Beamte am Freitag teils massiv angegriffen worden, erklärte die Polizei. An vielen Orten brannten demnach Autoreifen, Müllcontainer und Autos. Um die Feuerwehr bei der Löschung zu unterstützen, setzte die Polizei Wasserwerfer ein.
In der Nähe der Liebigstraße standen Gegenstände auf den Straßen. Auch Feuerwerk wurde abgebrannt und eine Flasche auf Polizisten geworfen. Schon in den vergangenen Tagen hatte es eine Reihe von Brandstiftungen und Sachbeschädigungen gegeben.
In der Nacht zum Freitag wurde das Bürgerbüro des CDU-Bundestagsabgeordneten Jan-Marco Luczak im Bezirk Tempelhof-Schöneberg mit Farbbeuteln beworfen und beschmiert. Die Linke Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch kritisierte auf Twitter den Zeitpunkt des Räumung, der Grünen-Kreisverband in Friedrichshain-Kreuzberg bezeichnete die Räumung als "unverhältnismäßig".
by Odd ANDERSEN