FDP-Chef Christian Lindner will seine Partei nach der Bundestagswahl zurück in die Regierung führen. Nach Jahren in der Opposition wolle die FDP ab 2021 "wieder über die Richtung mitbestimmen, die dieses Land nimmt", sagte Lindner am Samstag auf dem Bundesparteitag in Berlin. Die Delegierten trafen eine wichtige Personalentscheidung: Sie bestimmten den rheinland-pfälzischen Wirtschaftsminister Volker Wissing mit knapp 83 Prozent zum neuen Generalsekretär.
Lindner deutete an, dass er seinen Verbleib im Parteivorsitz von einer Regierungsbeteiligung 2021 abhängig macht: Das Ziel des Mitregierens wolle er "ganz persönlich mit mir verknüpfen", kündigte er vor den Delegierten an. In der ARD sagte er, mit dieser Verknüpfung wolle er deutlich machen: "Die FDP und ihr Vorsitzender meinen es ernst."
Den Wahlkampf will die FDP vor allem mit wirtschafts- und finanzpolitischen Themen bestreiten. Ziel sei eine "andere Wirtschafts- und Finanzpolitik", sagte Lindner. Der neue Generalsekretär Wissing forderte eine "Umkehr in der Wirtschaftspolitik hin zu mehr Freiräumen, zu mehr Flexibilität, zu mehr Freiheit".
In der Koalitionsfrage zeigte Lindner sich offen - von vornherein wollte er nur die Linkspartei und die AfD als Partner ausschließen. Er wies darauf hin, dass seine Partei auf Landesebene bereits in unterschiedlichen Konstellationen regiere - mit der Union, der SPD oder den Grünen.
Inhaltlich setzte Linder in seiner mehr als einstündigen Rede klassisch-liberale Akzente: Eine Steuerreform soll die "arbeitende Mitte" entlasten, die Wirtschaft soll von Bürokratie befreit werden, die Staatsverschuldung soll zurückgefahren werden, beim Klimaschutz sollen stärker marktwirtschaftliche Instrumente zum Einsatz kommen.
Mit Wissings Wahl zum Generalsekretär folgten die Delegierten dem Vorschlag des Parteivorsitzenden. Scharf kritisierte Wissing die Politik, mit der die große Koalition die Konjunktur in der Corona-Krise stützen will: Es sei "politischer Größenwahn zu glauben, man könne die Wirtschaft dauerhaft an den Tropf des Staats hängen". Wissing trat in Berlin die Nachfolge von Generalsekretärin Linda Teuteberg an, die ihren Posten auf Druck von Lindner zur Verfügung gestellt hatte.
Der Parteitag traf weitere Personalentscheidungen: Er wählte den Unternehmer Harald Christ zum neuen Schatzmeister. Christ war erst im Februar von der SPD zur FDP gewechselt. Den bisherigen Schatzmeister Hermann Otto Solms bestimmten die Delegierten zum Ehrenvorsitzenden.
Zwei vakante Posten im Präsidium gingen an Frauen: Gewählt wurden die Bundestagsabgeordnete Bettina Stark-Watzinger und die sachsen-anhaltinische Landespolitikerin Lydia Hüskens.
Lindner mahnte in seiner Rede auch eine Alternative zur Corona-Politik der Bundesregierung an. "Ein zweiter Lockdown in diesem Herbst darf sich nicht wiederholen", sagte er. "Wir brauchen intelligente Maßnahmen, die den Gesundheitsschutz mit dem Freiheitsschutz vereinbaren."
Auf die aktuelle Schwäche der FDP ging Lindner nur kurz ein - in einer Krise sehe er die Partei nicht. Eine von der "Bild am Sonntag" veröffentlichte aktuelle Umfrage sieht die FDP bei nur fünf Prozent.
Vor den Delegierten räumte Lindner Fehler bei den gescheiterten Verhandlungen über eine Koalition mit Union und Grünen nach der Wahl 2017 an - die FDP war damals aus den Jamaika-Gesprächen ausgestiegen. "Ein paar Dinge würden wir schon anders machen", sagte er.
Am Samstagabend nahmen die Delegierten einen Antrag der Jungliberalen an, das Wahlalter bei Bundestagswahlen auf 16 Jahre senken zu wollen. Damit nehme die FDP "das große politische Engagement von Jugendlichen ernst", sagte Lindner.
Zu dem Präsenzparteitag der Liberalen waren knapp 600 Delegierte in einem Berliner Kongresshotel unter dem Motto "Mission Aufbruch" zusammengekommen. Es war die erste derartige Veranstaltung einer Bundestagspartei seit Beginn der Corona-Pandemie.
by Von Peter WÜTHERICH