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Lindner lehnt Vorfestlegung auf Koalition ab

FDP-Parteitag legt Leitlinien für Koalitionsverhandlungen fest

Eine Woche vor der Bundestagswahl hat FDP-Chef Christian Lindner die Festlegung auf eine Koalition für den Fall einer Regierungsbeteiligung abgelehnt. "Wir gehen als eigenständige Kraft in diese Wahl", sagte er auf dem Sonderparteitag der Liberalen am Sonntag in Berlin. Ausdrücklich wies Lindner die Forderung der Union zurück, vor der Wahl eine Koalition mit SPD und Grünen auszuschließen.

"Wir schließen aus: Steuererhöhungen, wir schließen aus: eine Aufweichung der Schuldenbremse, wir schließen aus: einen Linksruck in Deutschland", sagte Lindner. "Aber von dieser Union nehmen wir keine Anweisungen entgegen."

Der SPD und deren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz zollte Lindner Respekt für einen "außerordentlich geschickten" Wahlkampf. Er warf Scholz aber vor, "anders aufzutreten, als es das Parteiprogramm ist" - dieses stehe deutlich weiter links als der Kandidat. SPD und Grüne seien "offen für eine Kooperation mit der Linkspartei" und gefährdeten damit die "Eckpfeiler unserer Wirtschaftsordnung", warnte Lindner.

In dieser Lage komme der FDP die "besondere Verantwortung" zu, als "Garantin für die Mitte in unserem Land" aufzutreten. "Die Union alleine hat gegenwärtig nicht die Durchsetzungskraft, um eine weitere Linksdrift in unserem Land zu verhindern", sagte Lindner.

Scharfe Kritik übte er auch an den Grünen - allerdings wies er auch auf Anknüpfungspunkte hin. "Die Grünen haben für Kinder durchaus Sinnvolles im Programm", sagte Lindner. "Man kann den Grünen ein bisschen assistieren, wie sie ihre sinnvollen Vorhaben ein bisschen solider finanzieren können, ohne die Steuern zu erhöhen und die Schuldenbremse aufzuweichen."

So müsse eine künftige Bundesregierung prüfen, "ob es im Staatshaushalt Ausgaben gibt, die nicht mehr nötig, wirksam und sinnvoll sind". Als Beispiel für potenzielle Einsparungen nannte Lindner die hohen Subventionen für den Kauf von Elektroautos, von denen vielfach jene Menschen profitierten, die ohnehin gut verdienen.

Die Delegierten des Bundesparteitags verabschiedeten einen Wahlaufruf, der zwei Vorbedingungen für einen Regierungseintritt der FDP nach der Wahl festschreibt: ein Festhalten an der Schuldenbremse und eine Absage an Steuererhöhungen.

In dem Wahlaufruf erklären die Liberalen ihre Bereitschaft zum Mitregieren: Die FDP sei bereit, "Verantwortung für unser Land zu übernehmen", heißt es darin. Eine Koalitionsaussage vermeidet die Partei - sie macht aber ihre Nähe zur Union klar, mit der sie "gemeinsame Positionen" teile, wie es in dem Papier heißt. Mit Blick auf SPD und Grüne warnt sie vor einem "Linksruck", da diese Parteien "offen für eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei" seien.

Aktuellen Umfragen zufolge erscheinen nach der Bundestagswahl bis zu drei Bündnisse mit FDP-Beteiligung denkbar: eine Jamaika-Koalition mit CDU und Grünen, eine Ampel mit SPD und Grünen oder eine Koalition mit Union und SPD.

Lindner behielt es sich in seiner Rede ausdrücklich vor, dass die FDP als Teil einer künftigen Koalition auch einen Kandidaten zum Kanzler wählen könnte, dessen Partei nicht stärkste Kraft geworden ist. "Aus dem Status einer stärksten Partei ergab sich noch nie automatisch der Führungsanspruch", sagte er. "Die Mehrheiten ergeben sich in diesem Jahr aus den Inhalten."

by Tobias Schwarz