Eine Woche nach der Explosionskatastrophe in Beirut ist die libanesische Regierung geschlossen zurückgetreten. In einer Fernsehansprache am Montagabend beklagte Ministerpräsident Hassan Diab eine "endemische Korruption" in der politischen Elite seines Landes, die auch zu der Explosion im Beiruter Hafen mit 160 Toten und tausenden Verletzten geführt habe. Auch am Montag gab es in Beirut wieder Zusammenstöße zwischen regierungskritischen Demonstranten und Sicherheitskräften.
Mit ihrem Rücktritt komme die Regierung der Forderung des Volkes nach, "die Verantwortlichen für diese Katastrophe zur Rechenschaft zu ziehen", sagte Diab. Der Ministerpräsident ist erst seit Januar im Amt und gehört keiner Partei an. Die Regierung könnte allerdings bis zu den nun notwendigen Neuwahlen noch monatelang übergangsweise im Amt sein.
Während Diab seinen Rücktritt verkündete, trafen vor dem libanesischen Parlament den dritten Abend in Folge Demonstranten und Polizisten aufeinander. Wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP beobachtete, warfen einige Demonstranten Steine und Knallkörper auf die Sicherheitsleute, die darauf mit dem Einsatz Tränengas reagierten. Nach dem Rücktritt der Regierung waren in den Straßen Beiruts Autohupen zu hören. Jubelnde Beiruter veranstalteten zudem ein Feuerwerk.
Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian forderte eine "schnelle Regierungsbildung" im Libanon. Die neue Regierung müsse die Erwartungen der Bevölkerung erfüllen, die Hauptstadt wieder aufbauen und Reformen umsetzen, "ohne die das Land in wirtschaftliches, soziales und politisches Chaos stürzen wird", erklärte Le Drian.
Durch die Doppelexplosion im Hafen von Beirut sind in der libanesischen Hauptstadt nach offiziellen Angaben rund 300.000 Menschen obdachlos geworden. Nach Regierungsangaben waren 2750 Tonnen Ammoniumnitrat explodiert, das jahrelang ungesichert im Hafen gelagert worden war. Die genauen Ursachen der Explosionen sind noch unklar.
Der Libanon steckte bereits vor der Katastrophe in der schlimmsten Wirtschafts- und Währungskrise seit dem Bürgerkrieg (1975-1990). Nach offiziellen Angaben leben inzwischen mehr als 45 Prozent der Libanesen unter der Armutsgrenze. Massive Engpässe unter anderem bei der Strom- und Wasserversorgung sind an der Tagesordnung.
by JOSEPH EID