Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat im Bundestag die Pläne für eine Pflegereform mit steigenden Beträgen für die Versicherten verteidigt. Es gehe um eine "maßvolle Erhöhung", die angesichts steigender Lebenserwartung und immer mehr Pflegebedürftigen notwendig sei, sagte Lauterbach am Donnerstag. Gleichzeitig bringe die Reform mehr Unterstützung für pflegende Angehörige. Auch die anderen Parteien sahen dringenden Handlungsbedarf bei der Reform der Pflegefinanzierung, Einigkeit über den Weg dorthin gibt es jedoch nicht.
Die gesetzliche Pflegeversicherung hatte im vergangenen Jahr ein Defizit von rund 2,2 Milliarden Euro verbucht. Das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz der Regierungskoalition sieht nun zum 1. Juli einen Anstieg der Beitragssätze in der Pflegeversicherung von 3,05 auf 3,4 Prozent des Bruttolohns vor. Bei Kinderlosen soll der Beitrag von bisher 3,4 auf vier Prozent steigen. Das soll Mehreinnahmen von rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr bringen.
Lauterbach beschrieb die Erhöhung als alternativlos. Seit 2017 seien die Kosten in der Pflegeversicherung von 35 auf 66 Milliarden Euro angestiegen, sagte er. Es gebe keinen Sozialbereich, der schneller wachse. Er räumte ein, dass nach der jetzigen Reform eine grundlegende Änderung der Finanzierung folgen müsse und zeigte sich dazu gesprächsbereit.
Der CSU-Abgeordnete Erich Irlstorfer kritisierte Lauterbachs Gesetzentwurf als bloßes "Diskussionspapier". Nötig sei eine "Strukturreform". Er forderte gleichzeitig eine "Priorisierung" der Politik auf pflegende Angehörige. Denn 80 Prozent der rund fünf Millionen Pflegebedürftigen würden zuhause versorgt. Die im Gesetzentwurf geplante Erhöhung des Pflegegelds um fünf Prozent decke aber nicht einmal die Inflationsentwicklung des laufenden Jahres ab.
Auch die Grünen-Abgeordnete Maria Klein-Schmeink forderte "weitreichende Änderungen im weiteren Verfahren". Wenn nicht dafür gesorgt werde, dass die Angehörigen die Versorgung weiter zuhause stemmen könnten, stehe die Gesellschaft "vor einem riesigen Problem".
Die FDP-Abgeordnete Nicole Westig sagte, den Liberalen sei die Zustimmung im Kabinett schwer gefallen. Ihre Partei sehe die Lage der Pflegeversicherung "mit großer Sorge", den Pflegekassen drohe in immer kürzeren zeitlichen Abständen "die Zahlungsunfähigkeit". Höhere Haushaltsbeiträge oder Steueranhebungen zur Finanzierung lehnt die FDP demnach ab. Westig forderte statt dessen eine Diskussion über eine verpflichtende Zusatzvorsorge.
Der AfD-Abgeordnete Martin Sichert kritisierte wegen der Beitragserhöhung ab dem Sommer ein "Pflegebelastungsgesetz". Er warnte zudem vor weiteren Erhöhungen am Parlament vorbei: Denn der Gesetzentwurf sehe vor, dass die Regierung im Wege einer Rechtsverordnungsermächtigung bei zusätzlichem Finanzbedarf kurzfristig höhere Beiträge beschließen könne.
Der Linken-Abgeordnete Ates Gürpinar kritisierte das bisherige Pflegesystem als "Garantie für Armut" - sowohl für pflegende Angehörige wie auch Pflegebeschäftigte. Lauterbachs Pläne seien "Stillstand", nicht Fortschritt. Gürpinar forderte den Ausstieg aus einem "unsozialen" Finanzierungskonzept, bei dem der reichere Teil der Gesellschaft sich privat versichern könne. Nötig sei eine Pflicht für alle, in die Pflegeversicherung einzuzahlen.
mt/cha