Die deutschen Landkreise fordern mit Blick auf den Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern klare Entscheidungen zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen und zum Thema Finanzen. "Die Landkreise brauchen dringend eine verlässliche Perspektive", sagte der Präsident des Landkreistags, Reinhard Sager, am Wochenende. Städtetagspräsident Markus Lewe sprach sich dafür aus, Flüchtlingen schneller Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren. Brandenburg und Sachsen forderten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zur Errichtung stationärer Grenzkontrollen auf.
Auf Bundesebene passiere in der offenen Flüchtlingsfrage zu wenig, kritisierte der Präsident des Landkreistags, Sager, in der Düsseldorfer "Rheinischen Post" vom Samstag. "Wir erwarten, dass der Bund alles dafür tut, um den Zustrom von Flüchtlingen deutlich zu reduzieren", sagte er. Neben einer Begrenzung der Einwanderungszahlen müssten zudem geflohene Menschen stärker in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden, forderte Sager.
Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen treffen sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefs und -chefinnen der Bundesländer am kommenden Mittwoch zu einem Sondergipfel.
Der Präsident des Deutschen Städtetags, Lewe, sagte den Funke-Zeitungen: "Ich bin dafür, dass Geflüchtete, die den Kommunen zugewiesen werden, sofort arbeiten dürfen – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus." Dies erfordere eine Änderung des Integrationsrechts. Zudem müssten Qualifikationen viel unbürokratischer anerkannt werden, sagte der Oberbürgermeister von Münster.
Asylbewerber dürfen hierzulande in der Regel erst nach drei Monaten arbeiten. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine müssen kein Asylverfahren durchlaufen und bekommen eine Arbeitserlaubnis direkt mit ihrer Aufenthaltsgenehmigung.
Auch die Länder wollen beim Flüchtlingsgipfel "von ihrer Forderung nach mehr Hilfen vom Bund nicht abrücken", wie die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) der "Rheinischen Post" sagte. Sie schlug vor, "nicht abgerufene Mittel der Wohnraumförderung einsetzen zu können, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der zeitweise auch zur Unterbringung von Flüchtlingen dienen kann".
Derweil forderten die Landesinnenminister von Brandenburg und Sachsen von der Bundesinnenministerin stationäre Grenzkontrollen, um unerlaubten Einreisen zu verhindern. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) verwies in der "Welt am Sonntag" auf die stationären Grenzkontrollen an der Grenze Bayerns zu Österreich, die kürzlich verlängert worden seien. Diese Kontrollen führten zu "beachtlichen Zurückweisungszahlen".
Vor dem Hintergrund einer vergleichbaren Situation an den Grenzen zu Polen und Tschechien "haben wir die Bundesinnenministerin gemeinsam angeschrieben und um befristete Wiedereinführung von stationären Binnengrenzkontrollen gebeten", so Schuster. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) sagte: "Wenn wir die Freizügigkeit im Schengen-Raum erhalten wollen, müssen wir einen Kontrollverlust an der Bundesgrenze verhindern." Er forderte "die umgehende Einführung stationärer Binnengrenzkontrollen".
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl zeigte sich derweil empört über Pläne für Asylverfahren an den Außengrenzen der Europäischen Union. Sie forderte die Ampel-Koalition am Samstag auf, "für die Ziele im Koalitionsvertrag einzustehen und sich gegen die Zustimmung zu EU-Grenzverfahren auszusprechen". Es drohten "De-facto-Haftlager und die Aushebelung des Flüchtlings- und Menschenrechtsschutzes an den EU-Grenzen".
Faeser plädiert dafür, die europäische Migrationspolitik stärker auf eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen auszurichten. Verhandelt werde auf EU-Ebene "über Verfahren an den EU-Außengrenzen, um dort binnen kurzer Fristen über den Schutz von Menschen mit geringer Aussicht auf Asyl in der EU zu entscheiden", sagte die Bundesinnenministerin dem "Handelsblatt" vom Freitag. Damit könnten abgelehnte Asylbewerber "schnell bereits von den EU-Außengrenzen aus zurückgeführt werden".
cha/kbh