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Lagebericht listet 380 Fälle von Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden auf

Seehofer spricht von "geringer Fallzahl" und sieht weiter kein strukturelles Problem

Bei den Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern sind knapp 380 Verdachtsfälle von Rechtsextremismus registriert worden. 319 davon entfallen auf die Länder, 58 auf den Bund, wie aus einem am Dienstag von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vorgestellten Lagebericht hervorgeht. 1064 weitere Fälle wurden bei der Bundeswehr festgestellt. Seehofer sprach von einer "geringen Fallzahl", er sieht weiterhin "kein strukturelles Problem".

Der Bericht bezieht sich auf den Zeitraum zwischen Anfang 2017 und Ende März diesen Jahres. "Im Schwerpunkt geht es um Chatgruppen zum Austausch rassistischer, antisemitischer Inhalte", sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang.

Nach Seehofers Angaben sind bislang nur 34 der rechtsextremen Verdachtsfälle erwiesen, davon 22 bei den Polizeibehörden und elf bei der Bundeswehr. "Die ganz überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden steht fest auf dem Boden des Grundgesetzes", hob der Minister hervor. Aber jeder erwiesene Fall sei eine "Schande" und müsse "rigoros" verfolgt werden. "Auch passives Mitläufertum ist nicht erlaubt", stellte Seehofer klar. Er kündigte an, den Lagebericht fortzuschreiben und durch Analysen zu ergänzen.

Der größte Teil der 58 Fälle bei Bundesbehörden entfiel laut Seehofer auf die Bundespolizei. Die meisten der 319 Fälle aus den Ländern entfielen mit 59 auf Hessen, gefolgt von Berlin mit 53 und Nordrhein-Westfalen mit 45. Auf Bayern entfielen 31 Vorkommnisse, auf Sachsen 28 und auf Baden-Württemberg 23. Brandenburg und Bremen wiesen jeweils 18 Fälle auf, Niedersachsen 16.

Mecklenburg-Vorpommern registrierte 15 Vorkommnisse. Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt erfassten jeweils neun Fälle, Thüringen registrierte fünf. In Hamburg gab es vier Meldungen, in Schleswig-Holstein drei. Das Saarland stellte keinen Fall fest.

Zu den 319 Verdachtsfällen wurden insgesamt 303 Verfahren eingeleitet, darunter 237 disziplinarrechtliche. 48 Verfahren wurden mit dem Ziel der Entlassungen oder Nichternennungen eingeleitet, hinzu kommen 18 arbeitsrechtliche Maßnahmen. In 261 Fällen gab es zudem strafrechtliche Verfahren.

In dem Bericht heißt es auch, es sei "grundsätzlich von einem Dunkelfeld auszugehen". Es gebe zudem inakzeptable Fälle, "die über Einzelfälle hinausgehen", ergänzte Haldenwang.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter widersprach Seehofers Einschätzung. "Wir haben es sicher nicht mit massiven Netzwerken zu tun, aber ein strukturelles Problem ist mit diesem Lagebericht nicht widerlegt", sagte Vorstandsmitglied Daniel Kretzschmar der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Nach Überzeugung von SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese zeigt der Lagebericht "deutlichen Handlungsbedarf" auf. "Jetzt gilt es, aus den Ergebnisse die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und möglichen gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu erkennen", erklärte er.

Der FDP-Abgeordnete Benjamin Strasser kritisierte den Bericht in der "Augsburger Allgemeinen" als "oberflächliches Papier", das nur bekannte Fälle aufliste. Es sei "nicht die tiefgehende Analyse der Lage, die wir aktuell dringend brauchen", sagte Strasser.

Die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke warf Seehofer Verharmlosung vor. Seine Einschätzungen basierten allein auf der Zahl der Disziplinarverfahren und Ermittlungen. Doch das Problem fange weit davor an, erklärte sie.

Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic bekräftige die Forderung nach einer unabhängigen Studie nur zur Polizei. Ein "vertiefter Blick" wäre wichtig, um das Ausmaß von Problemen zu erkennen, sagte sie im ZDF-"Morgenmagazin".

by Ina FASSBENDER