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Kühnert gibt Amt des Juso-Chefs auf und strebt Bundestagsmandat an

SPD-Parteivize erteilt weiterer Neuauflage der großen Koalition eine Absage

SPD-Vize Kevin Kühnert will das Amt des Juso-Vorsitzenden im November vorzeitig aufgeben und im kommenden Jahr für den Bundestag kandidieren. Ein personeller Wechsel bei der SPD-Nachwuchsorganisation rechtzeitig vor der Bundestagswahl sei der "bestmögliche Zeitpunkt", sagte Kühnert dem Berliner "Tagesspiegel" vom Dienstag. Einer nochmaligen Neuauflage der großen Koalition nach der Wahl 2021 erteilte Kühnert eine Absage.

Seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger hätten es verdient, "dem SPD-Wahlkampf den eigenen Stempel aufzudrücken", sagte Kühnert. "Mit Anfang 30 sollte man sich ruhig vor Augen führen, dass man mehr als doppelt so alt ist wie die jüngsten Mitglieder im eigenen Laden." Dann werde es Zeit, zu gehen. "Als stellvertretender Parteivorsitzender und SPD-Linker freue ich mich jetzt schon auf den Antrieb, den mir die Jusos künftig geben werden, wenn ich nicht mehr an der Spitze des Verbandes stehe."

Kühnert, der seit Dezember vergangenen Jahres auch stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD ist, machte deutlich, dass er sich eine weibliche Nachfolge wünscht. "Ich habe den Juso-Vorsitz von einer Frau übernommen, und es ist mein Anspruch, wo immer es geht, dass Frauen in Führungspositionen kommen." Davon haben wir auch bei den Jusos viele, die das allemal können. Dem Bericht zufolge soll die bislang für 2021 geplante Neuwahl des Juso-Vorstands um ein Jahr vorgezogen werden.

Außerdem kündigte der Juso- und Vize-Parteichef an, dass er bei der Bundestagswahl im Herbst 2021 im Berliner Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg antreten möchte. Dieser Wunsch sei im SPD-Kreisvorstand "sehr wohlwollend" aufgenommen worden.

Mit Blick auf eine möglich Bewerbung des bisherigen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) in diesem Wahlkreis sagte Kühnert: "Ich mache ein Angebot und es wäre schlicht demokratische Normalität, wenn sich noch jemand anderes bewirbt." Berichten zufolge hatte Müller vor einiger Zeit signalisiert, im kommenden Jahr für den Bundestag kandidieren zu wollen.

Seine Entscheidung, nicht zugleich Juso-Chef bleiben zu wollen, begründete Kühnert im Internetdienst Twitter damit, dass "politische Ämter nicht zur Trophäensammlung werden" sollten. Für ihn gehe es jetzt im kommenden Jahr darum, "Köpfe, Herzen und eine Wahl zu gewinnen".

Einer nochmaligen Neuauflage der großen Koalition erteilte Kühnert, der bereits den Eintritt der SPD in die aktuelle "GroKo" vehement abgelehnt hatte, eine deutliche Absage: "Ich verspüre bei wirklich niemandem in der SPD den Willen, in eine weitere Koalition mit der Union zu gehen", sagte er am Dienstag in Berlin. Dies gelte umso mehr angesichts der möglichen Nachfolge-Kandidaten in der Union für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Mit Blick auf seine eigene Partei kritisierte Kühnert das wiederholte Vorpreschen von SPD-Politikern zugunsten einer Kanzlerkandidatur von Finanzminister Olaf Scholz. Er pochte auf das Vorschlagsrecht der Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.

Juso-Bundesgeschäftsführerin Julie Rothe sagte, die Ankündigung von Kühnert komme für die Spitze der SPD-Nachwuchsorganisation nicht überraschend. Sie sprach im SWR von einer "sehr nachvollziehbaren Entscheidung". Rothe äußerte sich weiter überzeugt, dass sich auch der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Kühnert ebenso wie er "gegen die Fortführung der regierenden Koalition aussprechen wird".

by Odd ANDERSEN