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Kritik an schleppender Auszahlung von Hilfsgeldern wächst

Regelungen zu "kompliziert" und zu "bürokratisch"

Mit der Dauer des Lockdowns wächst die Kritik an der langsamen Auszahlung der staatlichen Corona-Hilfen. Wirtschaftsverbände und die Opposition bemängelten am Dienstag die Regelungen - sie seien zu "kompliziert" und zu "bürokratisch". Die Union machte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) verantwortlich, die Opposition auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

"Bei unseren Betrieben kommen die Hilfen schlicht nicht an. Die Beantragung ist viel zu bürokratisch", sagte etwa der Präsident des deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer, dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Er forderte, im Bundeswirtschaftsministerium ein Expertengremium einzurichten, in dem "nicht nur Ministeriale sitzen, sondern auch Vertreter aus Wirtschaftsverbänden".

Der Präsident des Verbands der Familienunternehmer, Reinhold von Eben-Worlée, kritisierte, es herrsche große Verunsicherung "aufgrund der völligen Intransparenz beim Anmeldeverfahren und bei den Beihilfe-Bedingungen". Er beklagte zudem ein "Kommunikationswirrwarr": Bei den Konditionen habe sich erst in der vergangenen Woche herausgestellt, dass die Betriebe neben einem Umsatzeinbruch auch einen Reinverlust vorweisen müssen, um finanzielle Hilfen zu erhalten. "Das reduziert wiederum die Gruppe der Anspruchsberechtigen in einem beträchtlichen Ausmaß."

Von Eben-Worlée warf Finanz- und Wirtschaftsminister vor, sie seien im Ankündigen von Hilfen für die Wirtschaft zwar schnell. Aber "beim Umsetzen hapert es bis heute gewaltig an den allermeisten Stellen".

Der Vizepräsident des Steuerberaterverbandes, Valentin Schmid, sagte der "Augsburger Allgemeinen", erschwerend zu den komplizierten Regelungen komme hinzu, "dass praktisch keine Rückfragen gestellt werden können und die elektronischen Anträge keinerlei Raum für Hinweise und Ergänzungen lassen". Dies wäre jedoch dringend für die Antragsteller erforderlich: "Denn fehlerhafte Angaben können schnell zum Vorwurf von Subventionsbetrug führen."

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, lobte die Überbrückungshilfen der Bundesregierung grundsätzlich. Allerdings kämen kleine Betriebe und vor allem Soloselbstständige dabei zu kurz, kritisierte Fratzscher im SWR.

Der Chefhaushälter der Union im Bundestag, Eckhardt Rehberg (CDU), räumte ein, der Abfluss der Wirtschaftshilfen verlaufe "sehr schleppend". Gerade einmal 1,2 Milliarden Euro seien für die Novemberhilfe ausgezahlt worden, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er machte dafür Finanzminister Scholz verantwortlich: Er verlange Antworten von Scholz, warum das nicht schneller gehe, sagte Rehberg.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt dagegen sagte in Berlin, es liege in der Verantwortung von Scholz und Altmaier, dass derzeit viele Unternehmen aufgäben. "Es gibt Insolvenzen, Geschäftsschließungen, weil die Leute einfach nicht mehr können", sagte sie. Die zugesagten Hilfen müssten nun schnell ankommen, verlangte sie.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Reinhard Houben, erklärte, die Auszahlung der Corona-Hilfen gerate "immer mehr zum Fiasko". Die November-Hilfen etwa seien im neuen Jahr wegen anhaltender IT-Probleme immer noch nicht komplett ausgezahlt. Zugleich ändere die Bundesregierung fortwährend die Bedingungen für die Corona-Hilfen. Grund sei, dass bei der Vorarbeit im Wirtschaftsministerium "erheblich gepfuscht" worden sei. Das Förderkonzept und die Höhe der Unterstützungsleistungen seien unzureichend.

Die Bundesregierung kalkuliert laut Finanzminister Scholz pro Monat mit Lockdown-Kosten von etwa elf Milliarden Euro. Für Wirtschaftshilfen stehen in diesem Jahr 39,5 Milliarden Euro zur Verfügung, dazu kommen nicht ausgeschöpfte Mittel aus dem Jahr 2020. Weitere 35 Milliarden Euro stehen demnach für Zwecke bereit, die noch zu definieren sind.

by John MACDOUGALL