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Kritik an Laschet wegen Distanzierung von Corona-Messzahlen

CDU-Chef äußert Zweifel an Inzidenzwerten als Messlatte

CDU-Chef Armin Laschet ist mit seinem Abrücken von dem Inzidenzwert 35 als Messlatte für Corona-Lockerungen auf scharfe Kritik bei SPD und Grünen gestoßen. “Wer wie Laschet von ‘erfundenen Grenzwerten’ spricht, der zerstört Vertrauen in die Corona-Maßnahmen”, schrieb SPD-Fraktionsvize Katja Mast am Dienstag im Internetdienst Twitter. Der NRW-Ministerpräsident war mit seinen Äußerungen auf Distanz auch zum Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegangen.

Laschet hatte am Montag am Rande einer Veranstaltung des baden-württembergischen CDU-Wirtschaftsrats gesagt: “Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet.” Damit distanzierte sich Laschet offensichtlich von der von Merkel und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder vergangene Woche getroffenen Entscheidung, statt des Inzidenzwerts von 50 den Wert von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen zur Messlatte für weitere Lockerungen von Corona-Schutzmaßnahmen zu machen.

Laschet warf auf der Veranstaltung auch den Verfechtern eines harten Kurses im Kampf gegen die Corona-Pandemie, zu denen Merkel sowie CSU-Chef Markus Söder gezählt werden, Populismus vor. “Populär ist, alles verbieten, streng sein, die Bürger behandeln wie unmündige Kinder”, sagte der CDU-Vorsitzende. Er warnte davor, das Leben der Menschen nur an Inzidenzwerten abzumessen.

Mast schrieb dazu, natürlich sei es richtig, bei Corona-Maßnahmen abzuwägen. “Allem zugestimmt und hinterher absetzen spricht von schwachem Charakter”, erklärte sie vor dem Hintergrund, dass Laschet selbst bei dem Bund-Länder-Spitzengespräch an der Entscheidung für die Messlatte von 35 beteiligt war. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf Laschet in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland einen “Schlingerkurs” und “unbeholfenen Populismus” vor.

“Zunächst einmal ist der Grenzwert von 35 nicht erfunden und schon seit November im Infektionsschutzgesetz festgeschrieben als ein Wert, an dem breit angelegte Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen”, hob Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) in der “Rheinischen Post” hervor. Nun komme das Auftreten von Virus-Mutanten hinzu. Auch er verwies darauf, dass es zu dem Inzidenzwert von 35 in der Ministerpräsidentenkonferenz Einvernehmen gegeben habe.

“Wenn sich die Corona-Krisenbekämpfung noch weiter zum Profilierungsthema für die Kanzlerkandidatur in der Union entwickelt, bekommt das Land ein zusätzliches Problem”, warnte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider im “Wir”.

Der Vorsitzende des Weltärtzebundes, Frank Ulrich Montgomery, verteidigte den Inzidenzwert 35 als Messlatte. Wenn man Lockerungen bereits ab dem Wert von 50 vornehme, sei man wenige Tage später wieder in der roten Zone, warnte er in den RND-Zeitungen. “Es ist viel klüger einen Puffer einzubauen”, gerade auch mit Blick auf die Mutationen.

Kritik an Laschet kam auch von den Grünen. “Das Virus verhindert, dass Leben normal wieder stattfindet, nicht ‘erfundene’ Inzidenzwerte”, erklärte die stellvertretende Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang. “Dass Armin Laschet das entweder nicht verstanden hat oder bewusst anders darstellt, ist verantwortungslos”, warf sie dem CDU-Chef vor.

Der CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann nahm Laschet in Schutz. Er wandte sich im “Wir” dagegen, “immer nur an Inzidenzzielen herumzuschrauben”.

by Sascha STEINBACH

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