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Kritik an innerdeutschen Beherbergungsverboten nimmt zu

Berlins Bürgermeister Müller und Städtetag dringen auf Abschaffung

Die Welle der Kritik an den innerdeutschen Beherbergungsverboten schwillt weiter an. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) monierte im "Tagesspiegel" vom Montag, diese Verbote schafften "vor allem eins: Verwirrung und Unverständnis". Der Zeitung zufolge will Müller die Beherbergungsverbote am Mittwoch bei der Bund-Länder-Konferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die Tagesordnung setzen. Auch der Deutsche Städtetag forderte das Ende dieser Verbote, Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) verteidigte sie hingegen.

Bei den Beherbergungsverboten für Reisende aus deutschen Corona-Risikogebieten handele es sich um eine "echte Notfallmaßnahme", sagte Braun am Sonntag in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Viele Bundesländer seien besorgt, dass Besucher aus Städten mit hohen Infektionszahlen das Virus in ihre Urlaubsgebiete hineintrügen.

Wichtigstes Ziel der Corona-Politik sei es, dass die Produktivwirtschaft weiterlaufe und dass Schulen und Kindergärten offen blieben, betonte der Kanzleramtschef: "Deshalb müssen wir da, wo die Infektionsketten sich hauptsächlich ausbreiten, nämlich bei Feiern und leider auch beim Reisen, etwas strenger sein."

Müller nannte die Beherbergungsverbote hingegen "weder zielführend noch erklärbar". Er wandte sich trotz der stark steigenden Corona-Infektionszahlen in Berlin gegen einseitige Schuldzuweisungen in Richtung Hauptstadt. "Alle großen Städte eint dieses Problem, hier kann sich keiner ausnehmen", sagte der Regierende Bürgermeister. "Wichtig ist mir, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen."

Berlin gehört zu einer Reihe von deutschen Großstädten, für deren Einwohner Beherbergungsverbote in mehreren Bundesländern gelten - dies deshalb, weil in diesen Städten die Zahl der Coronavirus-Neuinfektionen binnen sieben Tagen auf über 50 pro 100.000 Einwohner gestiegen ist. Zu Risikogebieten durch Überschreiten dieser Schwelle wurden auch Bremen, Frankfurt am Main, Köln sowie zuletzt Essen und Stuttgart.

Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach appellierte allerdings an die Bundeskanzlerin, die Beherbergungsverbote bei der nächsten Schaltkonferenz mit den Länderchefs am Mittwoch wieder zu "kassieren". Diese Maßnahme sei "leider missglückt", sagte er im "Bericht aus Berlin". Die Unterbringung von Reisenden in Deutschland trage bisher kaum zu den neuen Ansteckungsfällen bei: Somit lösten diese Verbote "ein Problem, das es gar nicht gibt".

Auch der Präsident des Deutschen Städtetages, Burkhard Jung, sagte, die Beherbergungsverbote seien "nicht durchdacht, da wird man nochmal rangehen müssen". Es gebe "keine Hinweise darauf, dass Hotels oder der Verkehr mit Bus und Bahn Hotspots sind", unterstrich der SPD-Politiker und Leipziger Oberbürgermeister in den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Maßstab für alle Maßnahmen müsse sein, dass sie "etwas für den Infektionsschutz bringen".

Auch die Opposition im Bundestag lehnt die Beherbergungsverbote ab. "Die pauschale Einschränkung der Freizügigkeit innerhalb Deutschlands empfinde ich als unverhältnismäßig“, sagte FDP-Partei- und -Fraktionschef Christian Lindner der Zeitung "Die Welt". Nur der Wohnsitz in einem sogenannten Risikogebiet mache aus vorsichtigen Menschen nicht sofort ein Risiko. Die Einstufung von Risikogebieten selbst müsse zudem "auf der Basis von mehr Parametern erfolgen als nur der Zahl der Neuinfektionen".

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch nannte die Beherbergungsverbote "unlogisch". So seien beispielsweise Reisen von Berlin nach Brandenburg verboten, aber nicht umgekehrt. In der aktuellen Lage brauche es "keinen blinden Aktionismus, sondern Klarheit und Verlässlichkeit", mahnte Bartsch in der "Welt". AfD-Vizefraktionschef Sebastian Münzenmaier kritisierte im selben Blatt die Beherbergungsverbote als "schwerwiegenden Grundrechtseingriff für alle Reisenden und Hoteliers". Er forderte deshalb, die Verbote müssten "mit sofortiger Wirkung aufgehoben werden".

by Christof STACHE