Nach jahrelangen erbitterten Kämpfen haben sich die Konfliktparteien in Libyen auf einen Waffenstillstand für das Land geeinigt. "Die libyschen Parteien haben ein Abkommen zu einer dauerhaften Waffenruhe für ganz Libyen geschlossen", erklärte die UN-Unterstützungsmission für Libyen (UNSMIL) am Freitag nach fünftägigen Gesprächen in Genf. Sie fügte hinzu: "Diese Errungenschaft ist ein wichtiger Wendepunkt Richtung Frieden und Stabilität in Libyen." Das Abkommen trete ab sofort in Kraft.
Die Vereinbarung sehe vor, dass "alle Militäreinheiten sowie bewaffneten Gruppen an der Front in ihre Lager zurückkehren sollen", sagte die Leiterin der Unterstützungsmission, Stephanie Williams. Zudem sei der Rückzug sämtlicher Söldner und ausländischer Kämpfer aus dem gesamten libyschen Territorium vorgesehen. Dies gelte für "Land, Luft und See innerhalb einer Zeit von höchstens drei Monaten, ab heute".
Die Gespräche fanden im Rahmen einer gemeinsamen Militärkommission unter einer "5+5"-Regelung statt: Fünf Delegierte von jeder Seite nahmen an den Gesprächen in Genf teil.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) begrüßte das Waffenstillstandsabkommen. "Diese Nachricht ist seit langem der erste Lichtblick für die Menschen in Libyen!", erklärte er in Berlin. Das Abkommen verspreche endlich einen Kurswechsel von der militärischen zur politischen Logik.
Nun müsse eine politische Lösung für das Land verhandelt werden, dazu müssten beide Seiten ebenfalls "mutig und konstruktiv aufeinander zugehen", erklärte Maas weiter. Er hob hervor: "Libyen ist noch nicht am Ziel, hat aber eine wichtige Hürde Richtung Frieden genommen." Mit Blick auf die Berliner Konferenz zu Libyen, die im Januar stattgefunden hatte, hob er hervor: "Es zeigt sich, ein langer Atem zahlt sich aus."
Auch Italien, die frühere Kolonialmacht des nordafrikanischen Landes, sowie die EU zeigten sich erfreut. Ein Abkommen für einen dauerhaften Waffenstillstand sei der "Schlüssel für die Wiederaufnahme eines politischen Dialogs", sagte der außenpolitische Sprecher der EU, Peter Sano. Es sei nun aber wichtig, dass das Abkommen umgesetzt werde.
Weniger optimistisch hingegen zeigte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Er zweifelte die Umsetzbarkeit des Abkommens an. "Der heutige Waffenstillstand wurde eigentlich nicht auf höchster Ebene vereinbart, sondern auf niedrigerer Ebene", sagte Erdogan am Freitag in Istanbul. "Deshalb wirkt es auf mich so, als fehlte es diesem Abkommen an Glaubwürdigkeit." Erdogan äußerte dennoch die Hoffnung, dass der Waffenstillstand eingehalten werde.
Das nordafrikanische Libyen ist seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 von gewaltsamen Konflikten und Machtkämpfen geprägt. Die von der UNO anerkannte Einheitsregierung in Tripolis befindet sich seit Jahren im Krieg mit General Chalifa Haftar, dessen Truppen große Gebiete im Osten und Süden Libyens kontrollieren und der eine im ostlibyschen Tobruk angesiedelte Gegen-Regierung unterstützt. Beide Seiten werden jeweils von einer Reihe anderer Länder militärisch unterstützt.
Der Einheitsregierung gelang es zuletzt mit militärischer Unterstützung der Türkei, eine Offensive von Haftars Truppen abzuwehren und sie aus weiten Teilen Westlibyens zu verdrängen. Haftar erhielt seinerseits Unterstützung von Ägypten, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Russland.
by Violaine Martin