Der militärische Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region Berg-Karabach ist wieder voll entbrannt: Von Armenien unterstützte Rebellentruppen und Aserbaidschans Armee lieferten sich am Sonntag heftige Gefechte. Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan rief das Kriegsrecht aus und ordnete die Generalmobilmachung an. Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew versprach in einer Fernsehansprache derweil den "Sieg" über die "Separatisten". Russland und die EU riefen die Konfliktparteien zu einer sofortigen Waffenruhe auf.
Beide Seiten machten sich gegenseitig für das Aufflammen der Gewalt verantwortlich. Nach Angaben der pro-armenischen Regionalregierung hatte die aserbaidschanische Armee am frühen Sonntagmorgen Ziele in Berg-Karabach bombardiert, darunter auch die Hauptstadt Stepanakert.
Aserbaidschans Verteidigungsministerium erklärte dagegen, die Armee habe eine "Gegenoffensive" gestartet, um "Armeniens Militäraktivitäten" in der Region zu stoppen und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Dabei seien Panzer, Kampfflugzeuge, Drohnen und Artillerie im Einsatz.
"Die aserbaidschanische Armee kämpft heute auf ihrem Territorium, verteidigt die territoriale Integrität, fügt dem Feind verheerende Schläge zu", sagte Präsident Alijew. "Unsere Sache ist gerecht, und wir werden siegen."
Ein Vertreter des aserbaidschanischen Präsidialamtes sprach von toten und verletzten Zivilisten und Soldaten. Ein Sprecher der Regierung Berg-Karabachs erklärte, es gebe Opfer in der Zivilbevölkerung.
Das armenische Verteidigungsministerium, das die Rebellen unterstützt, meldete den Abschuss zweier aserbaidschanischer Militärhubschrauber sowie von drei Drohnen. Aserbaidschan sprach dagegen von nur einem abgeschossenen Helikopter.
Russland fordere die Konfliktparteien auf, die Kämpfe sofort einzustellen und Verhandlungen zu einer Stabilisierung der Lage aufzunehmen, erklärte das Außenministerium in Moskau. Das Ministerium sprach von "intensiven Bombardements auf beiden Seiten der Kontaktlinie". Auch die EU forderte ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen und die Rückkehr an den Verhandlungstisch.
Die Kaukasus-Staaten Armenien und Aserbaidschan befinden sich seit fast 30 Jahren in einem Konflikt um die Kontrolle über die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region Berg-Karabach, die zu Sowjetzeiten Aserbaidschan zugeschlagen worden war. Pro-armenische Rebellen brachten das Gebiet nach Kämpfen mit rund 30.000 Todesopfern Anfang der 90er Jahre unter ihre Kontrolle.
1991 rief Berg-Karabach seine Unabhängigkeit aus; international wird das Gebiet jedoch bis heute nicht als eigenständiger Staat anerkannt, sondern als Teil Aserbaidschans angesehen. Aserbaidschan will die Region wieder vollständig unter seine Kontrolle bringen, notfalls mit Gewalt.
In den vergangenen Wochen hatten sich Armenien und Aserbaidschan gegenseitig vorgeworfen, Dörfer im Grenzgebiet angegriffen zu haben. Zuletzt hatte es im April 2016 heftige Kämpfe zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach gegeben. Dabei starben mehr als hundert Menschen. 2010 war die bislang letzte große Initiative für einen Frieden zwischen Eriwan und Baku gescheitert.
Ein länger andauernder militärischer Konflikt zwischen Eriwan und Baku könnte weitreichende Auswirkungen haben. Russland und die Türkei konkurrieren um Einfluss in der Kaukasusregion. Das ölreiche Aserbaidschan hatte seine Armee in den vergangenen Jahren hochgerüstet und kann auf die Unterstützung der Türkei zählen. Russland unterstützt dagegen Armenien, wo es einen Militärstützpunkt unterhält.
by Von Mariam Harutjunjan