Der NBA-Star und sein Spleen
Am Sonntagmorgen kamen NBA-Legende Kobe Bryant (1978-2020), seine 13-jährige Tochter Gianna und sieben weitere Personen an Bord eines Hubschraubers beim Absturz in einem Vorort von Los Angeles ums Leben. Das Drama geschah nur wenige Kilometer vor dem Erreichen ihres Zielortes: seine eigene Basketball-Kaderschmiede, die Mamba Sports Academy im kalifornischen Thousand Oaks. Dort sollte seine Tochter an einem Turnier teilnehmen. Doch warum flogen sie überhaupt mit dem Hubschrauber dorthin? Die Familie lebt quasi in der gleichen Stadt, ebenfalls im Umland von L.A.
Wer sich die Flugroute des abgestürzten Helikopters ansieht, den überrascht tatsächlich zunächst die extrem kurze Strecke, die Bryant mit seiner Tochter zurücklegen wollte. Vom John-Wayne-Flughafen südlich von Los Angeles im Orange County bis nach Thousand Oaks sind es gerade einmal 130 Kilometer, mit dem Auto könnte man die Strecke in etwas mehr als einer Stunde schaffen. Weshalb entschied sich Bryant dann überhaupt dafür, diese Route trotz des schlechten Wetters per Flug anzutreten?
Die Antwort klingt fast zu banal, um wahr zu sein: Wahrscheinlich, weil er es gewohnt war und fast immer so tat. Bryant war seit vielen Jahren ein erklärter Fan von Hubschrauber-Flügen. Mit einem kolportierten Vermögen von rund 450 Millionen Euro konnte er es sich leisten, selbst kürzeste Strecken mit dem Hubschrauber zurückzulegen. Als aktiver Spieler flog er regelmäßig die knapp 80 Kilometer von seinem Wohnort im Orange County zum Staples Center in Downtown Los Angeles, der Heimspielstätte der L.A. Lakers.
Bryant sparte damit Zeit und konnte dem dichten Verkehr in Los Angeles und Umgebung entfliehen. Außerdem beschrieb ein “GQ”-Reporter, der Bryant 2010 im Helikopter begleiten durfte, dass der Ausnahme-Athlet aufgrund zahlreicher körperlicher Beschwerden wie kaputte Knie, überstrapazierte Füße und ein schmerzhafter Rücken nicht länger als zwei Stunden in einem Auto sitzen konnte.
Mithilfe des Hubschraubers konnte er seine Erholungsphasen vergrößern, die Reisestrapazen minimieren und somit seine Leistung auf dem Basketball-Court optimieren. Er fühlte sich frisch, wenn er vom Hubschrauber-Landeplatz am Staples Center zur Umkleidekabine schritt. Von der Mannschaft und dem Verein wurde das extravagante Verhalten des Superstars komplett toleriert, immerhin zahlte er seine Extravaganzen regelmäßig mit starken Leistungen zurück.
Mehr noch: Den eigens für sich geleasten Hubschrauber stellte er auch gerne mal Vereinsrepräsentanten oder Mitspielern zur Verfügung, wenn diese zum Beispiel zu einem dringenden Arzttermin mussten. Legendär ist die Geschichte, als Bryant den Lakers-Geschäftsführer Rob Pelinka (50) in seinem Hubschrauber mitnahm. Der damals noch aktive Spieler bat den Piloten zuvor heimlich, einige spektakuläre, militärische Manöver zu fliegen, um seinem Chef ein wenig Angst einzujagen.
Außerdem sollte er den Motor in der Luft kurz abstellen, umso einen Absturz zu simulieren. Pelinka berichtete später von der Aktion später in der “Los Angeles Times”: “Mein Leben zog an meinen Augen vorbei. Ich war kurz vor einem Herzinfarkt.” Kobe Bryant sei währenddessen völlig ruhig geblieben und hätte aufgeräumt neben ihm gesessen. Die Passion, diese Leidenschaft, dieser Spleen für das Helikopter-Fliegen blieb Bryant offenbar auch nach seiner aktiven Karriere erhalten. Leider führte sie letztendlich zu seinem Tod.
(dr/spot)