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Koalition streitet über Mindestanspruch auf Homeoffice

CSU-Landesgruppenchef Dobrindt nennt Heils Pläne "nicht zielführend"

In der großen Koalition regt sich weiter Widerstand gegen die Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für einen Rechtsanspruch auf mindestens 24 Tage Homeoffice im Jahr. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte einen gesetzlichen Anspruch als "nicht zielführend". Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) warnte vor bürokratischem Aufwand für die Unternehmen.

Heil hatte seinen Vorstoß damit begründet, dass die Corona-Krise gezeigt habe, "dass viel mehr mobiles Arbeiten möglich ist als wir dachten". Den geplanten Rechtsanspruch auf Homeoffice sollten Arbeitnehmer überall dort geltend machen können, "wo es möglich ist", hatte er der "Bild am Sonntag" gesagt und vor allem auf Erleichterungen für das Familienleben von berufstätigen Eltern verwiesen.

Am Montag betonte Heil im Deutschlandfunk, für die meisten Menschen bedeute mobiles Arbeiten "mehr Zeit für Familie, weniger Stress und auch weniger Stau". Für eine moderne Arbeitswelt müsse es auch einen "modernen Ordnungsrahmen" geben.

CSU-Landesgruppenchef Dobrindt sagte der "Bild"-Zeitung vom Montag hingegen, zwar könne Homeoffice "ein sinnvolles Arbeitsmodell sein". Ob im Homeoffice gearbeitet werden könne, müsse aber eine Entscheidung der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber bleiben.

Wichtiger sei mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit, sagte Dobrindt der Zeitung weiter: "Wir wollen deshalb weg vom Acht-Stunden-Tag hin zur Flexi-Woche mit einer Wochenhöchstarbeitszeit." Damit könnten Arbeitnehmer und Betriebe Arbeitszeiten flexibler und individueller gestalten.

CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz bewertete Heils Vorstoß im ARD-"Bericht aus Berlin" ebenfalls skeptisch. "Lassen wir das diejenigen entscheiden, die das entscheiden können - und das sind die Belegschaften zusammen mit den Geschäftsführungen", sagte er. "Die wissen das besser als in jeder Amtsstube in Berlin."

Der Wirtschaftsrat der CDU warnte, "keinesfalls" dürfe "mit einer Durchregulierung bereits funktionierender Homeoffice-Vereinbarungen weitere Bürokratie draufgesattelt werden", da sonst Arbeitsplätze in Gefahr gerieten. "Letztlich würden solche Vorgaben vor allem für diejenigen zur Einstellungsbremse, die mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit im Homeoffice arbeiten wollen: Pendler und Eltern kleinerer Kinder", erklärte der Chef des Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger. "Denn Betriebe, die bereits gebeutelt aus der Krise hervorgehen, werden weitere Zusatzkosten scheuen."

Das IW warnte, Heils Vorschlag berge "Konfliktstoff". So würden nach Einschätzung des Wirtschaftsforschungsinstituts etwa künftig Arbeitsgerichte klären müssen, in welchen Fällen es aus Sicht des Arbeitgebers berechtigt ist, den Wunsch auf Homeoffice abzulehnen. Außerdem drohe bürokratischer Aufwand und zudem werde die Frage aufgeworfen, wer für die Arbeitsplatzausstattung, den Arbeits- und Gesundheitsschutz zuständig sei, wenn ein Rechtsanspruch gegen den Willen des Betriebs gerichtlich durchgesetzt würde.

Der Maschinenbauerverband VDMA erklärte, es seien bei den Unternehmen in der Corona-Krise "durchweg gute Erfahrungen mit dem mobilen Arbeiten" gemacht worden. Ein Gesetz, das den Mitarbeitern einen rechtlichen Anspruch zusichere, sei "überflüssig". Dieses wecke "nur Hoffnungen, die sich nicht in jedem Fall erfüllen lassen", gab VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann zu bedenken. Zudem sei die Entscheidung des Arbeitsplatzes "wesentlicher Bestandteil eines jeden Arbeitsvertrags und damit dem einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer überlassen".

Unterstützung für Heils Vorstoß kam hingegen von den Grünen. Ein Rechtsanspruch auf Homeoffice sei "überfällig, sagte Parteichefin Annalena Baerbock. "Corona hat gezeigt, was alles auch im Homeoffice möglich ist", sagte sie. Wichtig sei hierbei, den Schutz aller Beschäftigten umfassend mitzudenken. Homeoffice könne immer nur freiwillig sein, ergänzend zum normalen Arbeitsplatz.

by OLI SCARFF