20097:

Knesset berät in erster Lesung über "Angemessenheitsklausel" von Justizreform

Das israelische Parlament hat am Montag in erster Lesung über die "Angemessenheitsklausel" beraten, ein Kernelement der umstrittenen Justizreform. Dem Gesetzentwurf zufolge soll dem Obersten Gericht künftig die Möglichkeit entzogen werden, Regierungsentscheidungen als "unangemessen" einzustufen. Kritiker fürchten eine willkürliche Besetzung hochrangiger Posten und eine Begünstigung von Korruption. Die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu argumentiert mit einer unverhältnismäßigen Einmischung der Justiz in politische Entscheidungen.

Nach der Abstimmung in erster Lesung, die in der Nacht zum Dienstag erwartet wurde, sind noch eine zweite und eine dritte Lesung nötig, um das Gesetz zu verabschieden. 

Die Justizreform der rechts-religiösen Regierungskoalition aus konservativen, ultra-orthodoxen und rechtsextremen Parteien zielt darauf ab, die Befugnisse der unabhängigen Justiz einzuschränken und die Stellung des Parlaments und des Ministerpräsidenten zu stärken. Das Vorhaben spaltet die Gesellschaft - seit Jahresbeginn demonstrieren landesweit immer wieder zehntausende Menschen dagegen. Daraufhin legte Netanjahu die Pläne Ende März auf Eis. Ein Kompromiss mit der Opposition unter Vermittlung von Präsident Isaac Herzog kam nicht zustande.

Vor der Knesset demonstrierten am Montag mehrere hundert Gegner der Justizreform. Vor Beginn der Debatte drangen auch einige Demonstranten in das Parlamentsgebäude ein. Bevor sie den Plenarsaal erreichten, wurden sie von Sicherheitskräften aus dem Gebäude geschleift. Für Dienstag kündigten die Organisatoren der seit Monaten andauernden Proteste weitere Massenkundgebungen an. 

In einem auf Facebook-Video verteidigte Netanjahu am Montag erneut die umstrittene Reform. Sie sei "nicht das Ende der Demokratie", sondern werde die "Demokratie stärken". "Die Rechte israelischer Gerichte und Bürger werden in keiner Weise beeinträchtigt", versicherte der Regierungschef. Das Oberste Gericht werde auch weiterhin "die Rechtmäßigkeit von Regierungsentscheidungen und -ernennungen überprüfen", sagte er.

mid/oer