Zum Start des Extremwetterkongresses in Hamburg haben führende Wissenschaftler am Mittwoch zu schnellen Maßnahmen gegen den Klimawandel aufgerufen. Angesichts von unverändert steigenden CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre drohten nicht umkehrbare Folgen und mehr Wetterextreme. Zugleich riefen Fachleute dabei zu einem Dialog über den Klimawandel mit der Gesellschaft auf, der etwaige Ängste nicht verstärkt.
"Leider drehen sich alle wichtigen Stellschrauben unverändert in die falsche Richtung", erklärte der Präsident des Deutschen Wetterdiensts (DWD), Gerhard Adrian, zum Auftakt der jährlichen Veranstaltung in der Hansestadt. "Die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre nimmt immer noch zu." Es bedürfe deshalb "noch viel mehr Rückenwind" für Klimaschutzmaßnahmen. Experten müssten in diesem Zusammenhang auch "noch aktiver auf die Öffentlichkeit zugehen", forderte Adrian.
Bekannte Teilnehmer warnten zugleich vor einer zu bedrohlichen und emotionalisierenden Kommunikation. "Die Klimakommunikation muss unsere Chancen voranstellen und nicht die Angst vor einer Apokalypse befeuern", erklärte der Meteorologe und Fernsehmoderator Sven Plöger.
Kongressveranstalter Frank Böttcher, zugleich Sprecher der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft, äußerte sich ähnlich. Eine "ständige Eskalation" der Begriffe in der Debatte verstärke Ängste. Die Folgen seien kontraproduktiv, fügte er an. "Diese Ängste bewegen viele Menschen dazu, sich Narrativen anzuschließen, die nicht auf Fakten basieren - auf diese Weise wird nötiges Handeln blockiert."
Auf dem Hamburger Extremwetterkongress beraten Wissenschaftler noch bis Freitag mit Vertretern aus Gesellschaft, Medien, Wirtschaft und Politik über Fragen der Wetter- und Klimaforschung. Die jährliche Veranstaltung will insbesondere einen öffentlichen Dialog anstoßen.
Laut einem zu Beginn der Konferenz vorgestellten Faktenpapier des DWD ist Deutschland von dem seit Jahrzehnten feststellbaren Anstieg der globalen Temperatur überproportional betroffen. Während sich der Mittelwert der Temperatur im sogenannten linearen Trend weltweit seit der Zeit von 1881 bis 1910 weltweit um etwa 1,1 Grad Celsius erhöhte, stieg er auf dem Gebiet Deutschlands inzwischen um fast 1,6 Grad.
Laut Faktenpapier ist dies insgesamt dadurch zu erklären, dass sich Landregionen schneller erwärmen. Die Folge sei unter anderem eine beispiellose Häufung von Wärmerekorden und Hitzeereignissen in der jüngeren Zeit. So habe die mittlere Temperatur in Deutschland in sieben der vergangenen 20 Jahre sogar mehr als zwei Grad über dem Wert der Vergleichszeit von 1881 bis 1910 gelegen, hieß es darin.
Die Zahl heißer Tage mit mehr als 30 Grad verdreifachte sich der Analyse zufolge seit den 50er Jahren von etwa drei Tagen pro Jahr auf durchschnittlich neun Tage im Jahr. Die Autoren verwiesen auch auf eine Zunahme von Dürren sowie wissenschaftliche Einschätzungen, wonach die Menge der Extremniederschläge, die zu der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Juli führte, ohne den Klimawandel mit hoher Wahrscheinlichkeit niedriger ausgefallen wäre.
"Nach Jahrtausenden eines relativ stabilen Klimas verlassen wir den klimatischen Wohlfühlbereich", erklärte der Kieler Klimaforscher Mojib Latif. "Auch in Deutschland sind die Auswirkungen zunehmend spürbar." Die Treibhausgasemissionen stiegen nach einer durch die Corona-Pandemie bedingten Pause erneut an. Die Menschheit sei auf dem Weg in eine Welt, in der die Temperatur um drei Grad über dem früher bekannten Niveau liege, fügte der Wissenschaftler an.
by Ina FASSBENDER