Der zwischen Union und SPD erzielte Kompromiss zur Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz hat in seiner jetzigen Form keine Chance auf Umsetzung. Die Grünen, die für die notwendige Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat gebraucht würden, forderten am Dienstag ein "Recht auf echte Beteiligung". Kritik kam auch vom Deutschen Kinderschutzbund und anderen Verbänden.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte am Montagabend die Einigung in der Koalition verkündet. Zur genauen Formulierung des Kompromisses machte das Ministerium zunächst jedoch keine Angaben. Der Kompromiss soll sich in Artikel 6 Absatz 2 wiederfinden.
Wie AFP aus Unionsfraktionskreisen erfuhr, soll die folgende Formulierung eingefügt werden: "Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt."
Grünen-Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte in Berlin, gebraucht würden Kinderrechte, die "ganz klar und eindeutig verbrieft sind". Der Formulierung, auf die sich die Koalition geeinigt hat, "werden wir nicht zustimmen". Kinderrechte bräuchten "eine starke Verankerung im Grundgesetz". Die Grünen seien aber bereit, "mit der Koalition ernsthaft über eine zustimmungsfähige neue Formulierung fürs Grundgesetz zu sprechen".
Es helfe den Kindern nicht weiter, ihre Rechte "jetzt in rein symbolhafter Form ins Grundgesetz aufzunehmen", so Göring-Eckardt weiter. Sie bräuchten "ein Recht auf echte Beteiligung in den Dingen, die sie selbst betreffen".
Auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch nannte den Kompromiss von Union und SPD "enttäuschend". Er kritisierte insbesondere, dass Beteiligungsrechte von Kindern keine Rolle spielten. Wenn es Verbesserungen in diese Richtung gebe, sei die Linke "ausdrücklich bereit, mit der Koalition zu reden", sagte Bartsch mit Blick auf die für eine Grundgesetzänderung notwendige Zweidrittel-Mehrheit.
Ablehnung kam auch vom Deutschen Kinderschutzbund. "Das ist eine Staatszielbestimmung, wir wollen echte Kinderrechte", sagte Verbandspräsident Heinz Hilgers dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch er kritisierte, dass die Beteiligungsrechte von Kindern fehlten. Stattdessen sei nur von rechtlichem Gehör die Rede.
Das Aktionsbündnis Kinderrechte nannte den Vorschlag ebenfalls unzureichend. So blieben etwa die Formulierungen zum Kindeswohl sowie zum Recht des Kindes auf Beteiligung hinter der UN-Kinderrechtskonvention und auch hinter der geltenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurück, erklärte das Bündnis, dem das Deutsche Kinderhilfswerk, der Kinderschutzbund, UNICEF Deutschland und die Deutsche Liga für das Kind angehören.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte in Berlin, der Kompromiss sei "eine Verständigung auf eine erste Etappe". Die SPD sei mit einer höheren Erwartung in die Gespräche mit der Union gegangen. Er sei "ganz zuversichtlich, dass wir das eine oder andere noch verbessern können".
Justizministerin Lambrecht hatte am Montagabend erklärt: "Nach langem Ringen haben wir jetzt eine Formulierung gefunden, die für beide Seiten akzeptabel ist." Nun müssten zügig die nächsten Schritte folgen, um die Grundgesetzänderung noch in dieser Legislaturperiode abschließen zu können. Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz hatten CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart.
Der Justiziar der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Frieser, erklärte: "Bei der Ausgestaltung war es für uns von zentraler Bedeutung, eine Regelung zu schaffen, die das Wohl von Kindern stärker in den Vordergrund rückt, ohne dass dies zu Lasten der Elternrechte geht." Eine Beschneidung von Elternrechte gebe es nicht, betonte der CSU-Politiker.
by Christof STACHE