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Kein Ende der Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern in Sicht

Auch eine Woche nach Beginn von neuem Konflikt weiter gegenseitiger Beschuss

Auch eine Woche nach Beginn des neuen blutigen Konflikts zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas ist kein Ende der Gewalt in Sicht. Als Reaktion auf palästinensischen Raketenbeschuss bombardierte die israelische Armee in der Nacht zum Montag erneut binnen weniger Minuten dutzende Ziele im von der Hamas kontrollierten Gazastreifen. Internationale Aufrufe zu einem Ende der Gewalt stießen auf taube Ohren.

Israelische Kampfjets warfen in der Nacht laut Berichten von AFP-Reportern dutzende Bomben über dem dicht besiedelten Gazastreifen ab. Die Angriffe führten zu massiven Stromausfällen in dem Küstenstreifen, hunderte Gebäude wurden nach Angaben der palästinensischen Behörden zerstört oder beschädigt. Ob es Opfer gab, war zunächst unklar. Seit dem neuen Ausbruch der Gewalt wurden auf beiden Seiten insgesamt bereits mehr als 200 Menschen getötet und hunderte weitere verletzt.

Regierung und Militär in Israel versichern, ihre Angriffe zielten vor allem auf die Infrastruktur der Hamas ab. Nach Armeeangaben vom Montag wurden bei den nächtlichen Bombardements die Häuser von neun "ranghohen" Hamas-Kommandeuren getroffen. Zum dritten Mal startete die Armee zudem Angriffe auf das weitverzweigte Tunnelsystem der Palästinenserorganisation: 54 Kampfjets beschossen demnach ein 15 Kilometer langes Tunnelnetz, das auch durch dicht besiedelte Wohngebiete führt.

Am Morgen waren die Straßen von Gaza-Stadt menschenleer, während aus einer Matratzenfabrik dichter schwarzer Rauch quoll. Noch nie habe er Luftangriffe in dieser Intensität erlebt, sagte der Bewohner Mad Abed Rabbo.

Er habe das Gefühl gehabt, dass er die Angriffe nicht überleben werde, sagte ein weiterer Einwohner, Gasan Mani Kasaat. "Wir sind Zivilisten und keine Kämpfer", dies müsse Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu doch erkennen, fügte er hinzu. Israel wirft der Hamas vor, Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.

Seit Beginn des neuen bewaffneten Konflikts am Montag vor einer Woche wurden im Gazastreifen 197 Menschen getötet, darunter 58 Kinder. Mehr als 1200 Menschen wurden laut dem palästinensischen Gesundheitsministerium verletzt. In Israel wurden den Behörden zufolge zehn Menschen beim Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen getötet, darunter ein Kind, und knapp 300 verletzt.

Insgesamt wurden laut israelischer Armee 3100 Raketen aus dem Gazastreifen Richtung Israel abgefeuert, von denen über ein Drittel vom Abwehrsystem Iron Dome (Eiserne Kuppel) abgefangen wurde. Seit Tagen kommen die Menschen in Tel Aviv und anderen Städten kaum noch aus ihren Schutzräumen. Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte in einer Fernsehansprache an, die "Kampagne gegen die Terrororganisationen" werde mit voller Macht weitergehen.

Eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats endete derweil erneut ohne Ergebnis. Diplomaten zufolge blockierten die USA wie auch schon in den beiden vorangegangenen nicht-öffentlichen Sitzungen eine gemeinsame Erklärung. Washington arbeite mit anderen Mitteln "unermüdlich für ein Ende der Feindseligkeiten" und einen "dauerhaften Frieden", betonte Botschafterin Linda Thomas-Greenfield. UN-Generalsekretär António Guterres hatte am Sonntag gewarnt, der Konflikt könnte sich zu einem "unkontrollierbaren" Flächenbrand in der gesamten Region ausweiten.

Die Gewalt zwischen der Hamas und Israel ist die schlimmste seit dem 51-tägigen Gaza-Krieg von 2014, als Israel neben Luftangriffen auch eine Bodenoffensive im Gazastreifen gestartet hatte, um den Raketenbeschuss aus dem Gebiet zu beenden. Auf palästinensischer Seite wurden damals mehr als 2250 Menschen getötet, darunter vor allem Zivilisten. Israel zählte 74 Tote - fast ausschließlich Soldaten.

Auslöser der jüngsten Eskalation war diesmal die drohende Zwangsräumung von rund 30 Palästinensern aus ihren von jüdischen Israelis beanspruchten Wohnungen in Ost-Jerusalem. In mehreren Teilen des von Israel annektierten Ostteils kam es nach Angaben der Polizei in der Nacht zum Montag erneut zu Zusammenstößen und Festnahmen. Zuvor hatte ein Mann dort bei einem Anschlag mit seinem Auto sieben Polizisten verletzt, bevor er erschossen wurde. Zudem sieht sich Israel mit zunehmender Gewalt zwischen jüdischen und arabischen Israelis konfrontiert.

by Von Adel ZAANOUN