Vier Tage nach dem verheerenden Erdbeben in Marokko mit tausenden Toten schwindet die Hoffnung, noch Überlebende in den Trümmern zu finden. Trotzdem setzten Einsatzkräfte und Freiwillige auch am Dienstag ihre fieberhafte Suche in dem schwer zugänglichen Berggebiet südwestlich von Marrakesch fort. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und Rotem Halbmond richtete einen eindringlichen Hilfsappell an die internationale Gemeinschaft und bat um rund hundert Millionen Euro.
"Wir haben einen Bedarf von 100 Millionen Schweizer Franken (105 Millionen Euro), um auf die dringlichsten Bedürfnisse reagieren zu können", erklärte IKRK-Vertreterin Caroline Holt. Die notleidende Bevölkerung benötige unter anderem medizinische Hilfe, Gesundheits- und Hygieneartikel sowie sauberes Wasser. "Wir müssen sicherstellen, dass nicht eine zweite Katastrophenwelle kommt", warnte sie.
Neben der Suche nach Vermissten konzentrierten sich die Bemühungen der Helfer vor Ort zunehmend auf die Bereitstellung von Notunterkünften für unzählige Familien, die durch das Beben in den Bergdörfern des Hohen Atlas ihre Häuser verloren haben. Um die Überlebenden in den Dörfern nahe des Epizentrums mit Lebensmitteln zu versorgen, flogen Hubschrauber dorthin, wie AFP-Journalisten berichteten.
Allerdings kam vielerorts keine Hilfe an: "Wir fühlen uns komplett vergessen. Niemand ist gekommen, um uns zu helfen", sagte eine Einwohnerin in dem Bergdorf Imoulas. "Unsere Häuser sind eingestürzt, wir können nirgendwo hingehen." Zwar seien kurzzeitig Einsatzkräfte im Dorf vorbeigekommen, berichtete ein anderer Einwohner. "Sie sind gekommen, um die Toten zu zählen. Inzwischen ist aber keiner von ihnen mehr hier."
Nach einem Krisentreffen am Montag hatte der marokkanische Regierungschefs Aziz Akhannouch den Menschen in den Erdbebengebieten Entschädigungen in Aussicht gestellt. Ein "klares Angebot" werde "in Kürze bekannt gegeben", sagte er.
Das Erdbeben hatte das nordafrikanische Land am späten Freitagabend erschüttert, viele Menschen wurden im Schlaf überrascht. Die US-Erdbebenwarte USGS gab die Stärke mit 6,8 an, marokkanische Experten mit 7,0. Das Epizentrum lag rund 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch in der Provinz Al-Haouz. Viele Dörfer in den umliegenden Bergen wurden dem Erdboden gleichgemacht.
Nach offiziellen Angaben liegt die Zahl der Todesopfer bei mehr als 2800 Menschen. Wie das marokkanische Innenministerium am Montagabend mitteilte, wurden bei dem schwersten je in Marokko gemessenen Erdstoß zudem mehr als 2562 weitere Menschen verletzt.
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