Kataloniens im Exil lebender ehemaliger Regionalpräsident Carles Puigdemont ist auf der italienischen Mittelmeerinsel Sardinien festgenommen worden. "Präsident Puigdemont wurde bei seiner Ankunft in Sardinien verhaftet, wo er als Europaabgeordneter unterwegs war", teilte sein Anwalt Gonzalo Boye am späten Donnerstagabend auf Twitter mit. Laut seines Stabschefs Josep Lluis Alay soll ein italienisches Gericht bereits am Freitag über die Auslieferung des Exil-Politikers nach Spanien entscheiden. Puigdemont wird wegen seiner Beteiligung am gescheiterten Abspaltungsversuch Kataloniens im Jahr 2017 gesucht. In Barcelona protestierten zahlreiche Menschen gegen seine Festnahme.
Puigdemont wurde Alay zufolge von italienischen Grenzpolizisten am Flughafen von Alghero an der Nordwestküste der Insel festgenommen. Demnach war Puigdemont nach Alghero gereist, um an einem Kulturfestival teilzunehmen und mit gewählten Vertretern der Insel zu sprechen. Am Freitag soll der 58-Jährige dem Berufungsgericht in Sassari vorgeführt werden, "das über seine Freilassung oder Auslieferung an Spanien entscheiden wird", erklärte Alay auf Twitter.
Laut Puigdemonts Anwalt erfolgte die Verhaftung auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls von 2019. Über die Vollstreckbarkeit dieses Haftbefehls gibt es Streit, da Puigdemont als gewähltes Mitglied des EU-Parlaments eigentlich Immunität genießt.
Am 9. März diesen Jahres hatte das EU-Parlament die Immunität des Abgeordneten jedoch aufgehoben. Ende Juli wurde die Entscheidung vom EU-Gericht in Luxemburg bestätigt. Dagegen hatte Puigdemont aber Berufung eingelegt, eine endgültige Entscheidung soll zu einem späteren Zeitpunkt gefällt werden. Nach der Interpretation seines Anwalts Boye ist die Entscheidung des Parlaments daher "ausgesetzt".
Puigdemont war einer der Hauptakteure im Abspaltungsversuch der katalanischen Regionalregierung von Spanien 2017. Nach einer gescheiterten Unabhängigkeitserklärung und seiner Absetzung durch die Zentralregierung in Madrid ging er im Oktober 2017 nach Belgien ins Exil, um der Strafverfolgung in Spanien zu entgehen.
2018 war er auf Ersuchen Spaniens bereits einmal in Deutschland verhaftet worden. Er wurde jedoch einige Tage später freigelassen, da die deutsche Justiz die damalige Anklage wegen "Rebellion" nicht als Auslieferungsgrund anerkannte. 2019 wurde er ins EU-Parlament gewählt.
Die in Katalonien verbliebenen Mitstreiter Puigdemonts wurden 2019 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, Ende Juni diesen Jahres jedoch von der Regierung des Sozialisten Pedro Sánchez begnadigt. Puigdemont profitierte aber nicht davon. Die Regierung will ihm immer noch den Prozess wegen Aufruhrs und Veruntreuung öffentlicher Gelder machen.
Die Festnahme könnte die erst vergangene Woche wiederaufgenommenen Verhandlungen zwischen Madrid und der katalanischen Regionalregierung in Barcelona belasten. Die spanische Regierung in Madrid brachte "ihren Respekt für die Entscheidungen der italienischen Behörden und Gerichte" zum Ausdruck. Der Moncloa-Palast, Sitz der Regierung, erklärte, dass sich Puigdemont "wie jeder andere Bürger den Maßnahmen der Justiz unterwerfen" müsse.
Kataloniens amtierender Regierungschef Pere Aragonès - ein Separatist, der jedoch gemäßigter ist als Puigdemont - verurteilte "die Verfolgung und die gerichtliche Repression" auf Twitter scharf. Er schrieb: "Das reicht. Amnestie ist der einzige Weg. Selbstbestimmung ist die einzige Lösung. An deiner Seite, Carles".
Puigdemonts Nachfolger, der ebenfalls von der spanischen Justiz abgesetzte Quim Torra, bezeichnete dessen mögliche Auslieferung an Spanien als "katastrophal" und rief die Unabhängigkeitsbefürworter auf, "in höchster Alarmbereitschaft" zu sein.
Nach einem Aufruf der katalanischen Nationalversammlung versammelten sich am Freitag zahlreiche Menschen vor dem italienischen Konsulat in Barcelona und protestierten gegen die "illegale Inhaftierung" Puigdemonts. Im Netz verbreiteten sich Hashtags wie #FreePuigdemont.
by Von Marie Giffard und Alfons Luna