Die Regierung hat ihren Beschluss zum geplanten Lieferkettengesetz am Mittwoch kurzfristig noch einmal verschoben. "Wir sind noch nicht durch, wir müssen weiter verhandeln", sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der Eckpunkte für das geplante Gesetz zusammen mit Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) vorgelegt hatte. "Einige" in der Union seien weiter "kategorisch dagegen".
Unternehmen sollen den Eckpunkten zufolge künftig verpflichtend dafür sorgen, dass Menschenrechte und ökologische Mindeststandard eingehalten werden - weltweit, also entlang der gesamten Lieferkette. Das beträfe neben Produzenten auch Lieferanten und Zwischenhändler.
"Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Achtung von Menschenrechten", betonte Heil. Das geplante Gesetz müsse seinen Namen aber auch verdienen. "Zum einen darf es nicht nur für sehr, sehr wenige Unternehmen gelten." Wirtschaftsverbände und Teile der Union wollen, dass die Regelungen erst für Unternehmen ab 5000 Beschäftigten gelten - statt für Firmen ab 500 Mitarbeitern.
Heil sagte, zum anderen müssten Verstöße gegen das Lieferkettengesetz auch zivilrechtliche Konsequenzen haben - "sonst läuft das Ganze leer". Ohne diesen geplanten "zivilrechtlichen Durchsetzungsmechanismus" hätten Betroffene von Menschenrechtsverletzungen kaum eine Möglichkeit, vor deutschen Gerichten Entschädigungen einzufordern, erläuterte die Initiative Lieferkette, ein Bündnis aus über 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Die Initiative forderte am Mittwoch von der Bundesregierung, das Gesetz nicht länger zu verschieben, sondern "endlich für einen wirksamen Schutz von Menschenrechten und Umwelt" zu sorgen. Sie reichte eine Petition mit mehr als 222.000 Unterschriften ein.
Heil wies Kritik aus der Wirtschaft an dem geplanten Gesetz erneut zurück: "Das abstruseste Argument, das ich immer höre, ist, dass der Handwerker, der als Elektriker Kabel verlegen muss, demnächst wissen muss, wo das Kupfer in dem Kabel herkommt." Wichtig sei: "Wir müssen hier in Deutschland sicher sein, dass die Produkte im Einkaufswagen nicht aus Sklaven- oder Kinderarbeit stammen."
Die Initiative Lieferkette betonte am Mittwoch, das Gesetz dürfe nicht nur Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland in die Pflicht nehmen. Ein Lieferkettengesetz sei nur dann wirksam, wenn es die ganze Länge der Kette abdecke - "von der Produktion der ersten Faser in Indien über das Färben in China bis zum Verkauf der Jeans in Deutschland".
Die Grünen-Politikerin Renate Künast kritisierte, Wirtschaftsministerium und Kanzleramt stünden auf der Bremse und die Wirtschaftsverbände hätten die Eckpunkte verwässert, "wo immer es ging". Die Beratung im Kabinett war bereits einmal verschoben worden.
Ein schwaches nationales Lieferkettengesetz wäre "eine Bankrotterklärung für die Bundesregierung und ein peinliches Signal für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft", erklärte Künast. Denn für die EU-Kommission stehe das Thema auch auf der Agenda und das deutsche Gesetz müsse Vorbildfunktion haben.
by MARVIN RECINOS