Die Hartz-IV-Sätze werden zum Jahreswechsel um wenige Euro ansteigen. Das Bundeskabinett stimmte am Mittwoch einer Erhöhung des Regelsatzes für alleinstehende Erwachsende um drei Euro auf 449 Euro zu. Als deutlich zu niedrig kritisierten der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Sozialverband VdK die Erhöhung. Sie verweisen ebenso wie Linke und Grüne auf die Preisentwicklung und sehen eine "faktische Kürzung" der Leistungen.
Der Regelsatz für Jugendliche ab 14 Jahren steigt um ebenfalls drei Euro auf 376 Euro. Ehegatten und Partner erhalten künftig 404 Euro, Erwachsene unter 25 Jahren ohne eigenen Haushalt 360 Euro. Auch hier liegt das Plus bei jeweils drei Euro im Monat. Zudem beträgt der Regelsatz für Kinder bis fünf Jahre statt bisher 283 Euro im neuen Jahr 285 Euro pro Monat. Für die Sechs- bis 13-Jährigen erhöht sich der Satz um ebenfalls zwei Euro auf 311 Euro.
DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel nannte die Erhöhung "völlig inakzeptabel". Sie liege "deutlich unterhalb der Preisentwicklung", sagte Piel den Funke-Zeitungen vom Mittwoch. Sie verwies darauf, dass das Preisniveau vergangenes Jahr wegen der abgesenkten Mehrwertsteuer außergewöhnlich niedrig gewesen sei. Das werde in der Berechnung nicht berücksichtigt. Die Regierung unterstelle "eine Teuerungsrate von nur 0,1 Prozent – das liegt Lichtjahre entfernt von der Realität der derzeitigen Inflationsrate von fast vier Prozent".
Bei der turnusmäßigen jährlichen Anpassung der Regelsätze wird neben den Löhnen vor allem die Preisentwicklung im Zeitraum von Juli des Vorjahres bis zum Juni des laufenden Jahres berücksichtigt.
Auch VdK-Präsidentin Verena Bentele kritisierte, die Regierung nehme die zweite Jahreshälfte 2020, in der die Mehrwertsteuer reduziert war, zur Berechnungsgrundlage für die Regelsätze "und kürzt damit de facto die Leistungen von Grundsicherungsbeziehern". Die vorübergehende Steuersenkung, die als Entlastung gedacht gewesen sei, werde jetzt für die Betroffenen "zum großen finanziellen Verlust", sagte Bentele den Funke-Zeitungen. Sie forderte, den inflationsbedingten Preisanstieg auszugleichen und die Hartz-IV-Sätze generell anzuheben.
Auch Linkspartei und Grüne kritisierten die Erhöhungen als zu gering. Es sei "eine Frechheit", von einer Anhebung der Sätze zu sprechen, sagte Linken-Chefin Janine Wissler der Nachrichtenagentur AFP. Auch sie verwies auf die Inflationsrate von derzeit fast vier Prozent. "Faktisch können sich Menschen, die Hartz IV beziehen, zukünftig noch weniger leisten", sagte Wissler. "Mit anderen Worten: Union und SPD kürzen Hartz IV."
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte den Umfang der Erhöhung als "unverantwortlich, kalt und bitter". Der Grünen-Sozialpolitiker Sven Lehmann forderte "als ersten Schritt" eine Anhebung der Sätze um mindestens 50 Euro. "Dass diese Erhöhung nun unterhalb der Inflationsrate liegt, belegt die realitätsfernen Berechnungswege", erklärte er.
Der Hartz-IV-Regelsatz wird jährlich neu festgelegt. Die Bundesregierung stützt sich bei ihrer Berechnung auf einen fiktiven Korb von Waren und Dienstleistungen, die aus ihrer Sicht für das Existenzminimum notwendig sind.
by Markus Schreiber