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Judith Rakers: Nägel lackieren wird zur “Verzweiflungstat”

“Tagesschau”-Star über “Homefarming”

“Tagesschau”-Sprecherin Judith Rakers (45) genießt an ihrem Garten nicht nur das frische Obst und Gemüse. Wie sich die 45-Jährige, die in ihrem Buch “Homefarming: Selbstversorgung ohne grünen Daumen” (Gräfe und Unzer) Tipps für Einsteiger gibt, durch ihren Garten verändert hat und warum manchmal nur noch Nagellack weiterhilft, verrät sie im Interview mit spot on news.

Judith Rakers: Wir hatten den Kulturanthropologen und Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl bei “3 nach 9” zu Gast und ich habe mit Interesse sein Buch gelesen. Er ist eine faszinierende Persönlichkeit und kennt sich unglaublich gut aus mit Pflanzen und deren Bedeutung in verschiedensten Kulturen. Aber er ist natürlich auch ein Experte, der sein ganzes Leben diesem Thema gewidmet hat und für mich war zunächst klar, dass die Welt der Selbstversorger mit meiner nicht viel zu tun hat. Und doch verspürte ich große Lust, es auszuprobieren. Den Gedanken, selbst Lebensmittel zu erzeugen, fand ich einfach attraktiv. Als ich dann ein Haus mit großem Garten gefunden hatte, mit dem ich mir den Traum vom Landleben wahrmachen konnte, habe ich losgelegt.

Rakers: Das stimmt. Bei mir hat nicht mal ein Basilikum überlebt – geschweige denn eine Orchidee (lacht). Ich habe deshalb zunächst sehr viele Bücher gelesen, fühlte mich aber überfordert mit der ganzen Theorie. Also habe ich mich für “Learning by doing” entschieden. Dabei habe ich dann festgestellt, dass es einfacher ist, als ich dachte. Und dass es auch funktioniert, wenn man nicht auf Mondphasen achtet, so wie Wolf-Dieter Storl es empfiehlt. Schon im ersten Jahr hatte ich ganz viel Gemüse und Obst und im zweiten Jahr war ich den ganzen Sommer über Selbstversorgerin, obwohl ich viele TV-Projekte nebenbei hatte und meinen Beeten deshalb nicht so viel Zeit widmen konnte, wie ich gern gewollt hätte.

Rakers: Im Sommer war ich tatsächlich autark, gerade in den Erntemonaten. Was auch ein kleines Problem darstellt: Vieles wird zur gleichen Zeit reif und muss dann auch wirklich geerntet werden. Das kann man alles gar nicht wegessen. Deswegen habe ich mir auch Gedanken gemacht über das Thema Haltbarmachung von Lebensmitteln, wie Einfrieren, Einlagern, Weiterverarbeitung. Das gebe ich auch im Buch weiter. Im Sommer muss ich also normalerweise nichts zukaufen und bin kompletter Selbstversorger. Im Winter hole ich mir Salat und Tomaten aus dem Bio- oder Supermarkt. Ich bin keine Nachhaltigkeitsmissionarin. Aber ich versuche, so gut es geht, mit meinem Garten autark zu sein. Und das ist mir diesen Sommer komplett gelungen. Die Nachhaltigkeit ergibt sich dann von ganz allein.

Rakers: Ich habe noch nie ein Buch über Achtsamkeit gelesen, aber ich glaube, dass es genau das ist, was im Garten passiert. Man konzentriert sich auf eine Sache, Körper und Geist sind im Einklang. Die Hände wollen das Gleiche wie der Kopf, sagte Wolf-Dieter Storl einmal zu mir. Und das tut gut. Es erdet auch im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Gefühl, was evolutionär in uns verankert ist, wird wachgerufen. Bis vor 200 Jahren haben wir alle noch unsere Lebensmittel selber angebaut und in der Erde nach Kartoffeln gefühlt. Das ist verwurzelt in uns, ein Instinkt. Deswegen ist diese Arbeit wahrscheinlich so befriedigend. Und natürlich auch, weil man sieht, was man getan hat. Ich kann mir in meinem Job natürlich hinterher die “Tagesschau” oder die Reportage angucken, aber ich erschaffe nichts mit meinen Händen. Und ich glaube, es geht vielen so, dass sie das irgendwie vermissen in unserer modernen Welt. Im Garten siehst du sofort, was du gemacht hast und du kannst die Ergebnisse nicht nur anfassen, riechen und sehen, sondern dich auch noch davon ernähren. Es ist die reinste Form, die Früchte der eigenen Arbeit zu genießen.

Rakers: Es gibt viel mehr Momente, in denen ich mal zur Ruhe komme und das Handy keine Rolle spielt. Früher, als ich noch in der Stadt gelebt habe, war das Smartphone immer in der Nähe und griffbereit. Wenn es nicht da war, hat mich das gestresst. Total bescheuert, aber so war es. Heute stelle ich dagegen manchmal fest, dass mein Handy den ganzen Tag lang drinnen lag, während ich im Garten komplett in die Arbeit versunken war. Und ich habe weder bemerkt, dass es nicht dabei ist, noch habe ich es vermisst. Man lernt, sich wieder auf das Wesentliche und auf die Dinge, die wirklich zählen, zu konzentrieren. In meinem Job gibt es keinen klassischen Feierabend und deswegen ist es auch umso wichtiger, dass man in der freien Zeit die Arbeit hinter sich lässt und sich mal auf etwas anderes fokussiert. Da hilft einem der Garten ungemein.

Rakers: Es macht unglaublichen Spaß. Man leistet seinen Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit, das selbst angebaute Essen schmeckt besser, man hat immer etwas Frisches im Haus, mit dem man spontan kochen kann. Ein Garten führt zu Entspannung und dazu, dass man noch mehr an der frischen Luft ist. Auch wenn die Füße zwischendurch so dreckig sind, dass offene Stilettos nur nach langen Badetagen zum Einsatz kommen. Ich will aber niemanden bekehren, das Buch richtet sich an Leute, die bereits Sehnsucht nach mehr Verbindung zur Natur haben, die das Plastik in der Gemüseabteilung hinter sich lassen und die wissen wollen, was sie essen und sicher sein wollen, dass ihr Frühstücksei wirklich von einem glücklichen Huhn stammt. Für diese Menschen ist es das richtige Buch.

Rakers: Ja, das habe ich ganz deutlich gemerkt. Ich habe schon vor mehr als zwei Jahren mit dem Homefarming angefangen und das auch ab und zu auf Instagram geteilt, das Interesse war schon damals groß. In der Corona-Krise ist das Feedback aber tatsächlich explodiert, ganz viele Anfragen zu dem Thema sind auf meinen Social-Media-Kanälen gelandet. Die Leute haben nach einer Beschäftigung gesucht und ihr Zuhause und ihren Garten neu entdeckt. Dazu kommen die vielen Ideen zur Nachhaltigkeit und das schlechte Gewissen um die eigene CO2-Bilanz. Bei vielen spielt das alles zusammen, bei mir war es auch so. Mein Buch richtet sich auch wirklich an Anfänger. Weil es oft nicht viel nützt, wenn ausgewiesene Experten Anfängern Tipps geben, die vergessen häufig, welche grundlegenden Fragen man zunächst im Kopf hat.

Rakers: Nachdem ich mich vergangenen Sommer auf mein Gewächshaus gestürzt und einen Kartoffel- und Zucchiniacker angelegt habe, will ich mich jetzt auf die Hühner konzentrieren, die in meinem Garten leben. Sie sind kurz vor dem ersten Lockdown bei mir eingezogen. Ich will dieses Jahr zur Außenstelle des Berliner Zoos werden. Dort bin ich zur Patin der Seidenhühner ernannt worden, nachdem ich für eine Sendung einen Tag als Tierpflegerin gearbeitet habe. Gemeinsam mit dem Zoodirektor haben wir die Idee entwickelt, dass es doch schön wäre, wenn bei mir im Garten dann auch Seidenhühner einziehen würden. Ich bekomme vom Zoo deshalb im Frühjahr Bruteier, die meine Hennen hier als Leihmütter ausbrüten. Das habe ich schon zweimal erfolgreich mit anderen Rassen gemacht. Mein Hühner-Gehege soll also noch bunter und vielfältiger werden.

Das Cover von Judith Rakers’ “Homefarming” Gräfe und Unzer Verlag

Rakers: Ja, mein Pferd lebt zwar nicht wie meine Katzen und Hühner bei mir in Hamburg, sondern steht normalerweise auf einer Reitanlage in Schleswig-Holstein. Wenn ich Zeit habe, hole ich sie aber immer zu mir für ein paar Tage. Das findet sie immer großartig, weil sie dann den ganzen Tag auf der Weide stehen kann. Und dabei produziert sie dann Pferdeäpfel für meine Beete – den besten biologischen Dünger. Das gehört zu meinem kleinen Kreislauf, den ich hier etabliert habe. Das Fohlen wird in dem professionellen Stall zur Welt kommen, da ist die Infrastruktur dafür gegeben. Aber wenn es sich mit der Mama ohne Probleme transportieren lässt, dann wird auch das Fohlen die Wochenenden hier auf der kleinen Farm verbringen. Das wird ein toller Sommer.

Rakers: Das Gute ist, dass man meine Füße nicht sieht in der “Tagesschau”. (lacht) Vergangenen Sommer habe ich außerdem sehr oft richtig kräftigen Nagellack getragen, in einem satten Dunkelrot. Der ein oder andere Zuschauer hat vielleicht gedacht, dass ich zur Maniküre gehe und mich für die “Tagesschau” schön mache, in Wirklichkeit war es einfach nur eine Verzweiflungstat. Ich musste mir die Nägel dunkel lackieren, weil ich sie nicht mehr sauber gekriegt habe… Die Maskenbildner mussten auch sehr lachen, als man mich im Lockdown gefragt hat, wie ich zu so professionell lackierten Nägeln komme. Die sehen mich schließlich immer dasitzen, wie ich versuche, die Nägel sauberzukriegen und während sie mir die Haare machen, lackiere ich noch schnell drüber. Ich bin für einen sehr pragmatischen Umgang mit mir selbst bekannt – das ist auch ganz gesund, wenn man einen Selbstversorger-Garten hat.

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