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Japans Regierungschef Suga kündigt überraschend Rückzug an

72-Jähriger tritt nicht zur Wiederwahl als Parteichef an

Japans Regierungschef Yoshihide Suga hat überraschend seinen Rückzug angekündigt. Suga erklärte am Freitag, dass er sich am 29. September nicht zur Wiederwahl als Chef der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) stellen werde. Damit beendet der 72-Jährige de facto seine Zeit als Ministerpräsident nach nur einem Jahr. Suga steht wegen des Corona-Krisenmanagements in der Kritik, seine Umfragewerte befinden sich auf einem Allzeittief.

Seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr habe er all seine Kraft aufgewandt, "um die verschiedenen Probleme des Landes", darunter vor allem die Corona-Pandemie, anzupacken, betonte Suga vor Journalisten. Eine erneute Kandidatur als Parteichef und das weitere Corona-Krisenmanagement würden "ein enormes Maß an Energie" erfordern. "Ich bin zu der Einsicht gekommen, dass ich nicht beides tun kann."

Seine Entscheidung hatte Suga zuvor bei einer Krisensitzung der LDP verkündet. Deren Generalsekretär Toshihiro Nikai zeigte sich "ehrlich überrascht" von der Ankündigung des Regierungschefs. "Es ist wirklich bedauerlich." Suga habe aber "sein Bestes" getan und seine Entscheidung "nach reiflicher Überlegung" getroffen.

Sugas hatte als Favorit bei der Wahl zum LDP-Chef gegolten, obwohl seine Regierung wegen ihres Umgangs mit der Corona-Pandemie historisch schlechte Umfragewerte erzielt. Die Parlamentswahl in Japan ist für den Herbst geplant. Ein erneuter Wahlsieg der LDP galt bislang trotz zu erwartender Sitzverluste als sicher.

Suga hatte das Amt des Regierungschefs von Shinzo Abe übernommen, nachdem dieser wegen gesundheitlicher Probleme Ende August vergangenen Jahres seinen Rücktritt angekündigt hatte. Abes vergleichsweise lange Amtszeit hatte Stabilität in die politische Landschaft gebracht, die zuvor von häufigen Rücktritten und Ministerpräsidenten-Wechseln geprägt gewesen war.

In Teilen der LDP dürfte Sugas Entscheidung nach Ansicht des Politik-Experten Tomoaki Iwai dennoch für Erleichterung sorgen. Für die Abgeordneten der Partei sei es einfacher, "nicht unter einem unbeliebten Ministerpräsidenten zur Wahl antreten zu müssen".

Als möglicher Nachfolger von Suga als LDP-Parteichef wird Fumio Kishida gehandelt. Der ehemalige Außenminister werde wahrscheinlich als Favorit in die Wahl gehen, weil er "moderat und fähig" sei, sagte Iwai. Kishida hat für den Fall seiner Wahl umfassende Konjunkturhilfen angekündigt.

Die Börse reagierte positiv auf die Nachricht von Sugas bevorstehendem Rückzug. Der Nikkei-Index legte zur Mittagszeit (Ortszeit Japan) um rund 1,7 Prozent zu.

Japan kämpft derzeit gegen eine fünfte Welle der Corona-Pandemie mit Rekord-Infektionszahlen. Die Impfkampagne gegen Covid-19 lief schleppend an, mittlerweile sind knapp 43 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen das Coronavirus geimpft. In weiten Teilen des Landes gelten Corona-Restriktionen. Seit Beginn der Pandemie starben in Japan mehr als 16.000 Menschen im Zusammenhang mit dem Virus.

by Von Kyoko HASEGAWA und Hiroshi HIYAMA