108121:

Japan gedenkt Tsunami und Reaktorkatastrophe von Fukushima vor zehn Jahren

18.500 Menschen starben oder gelten als vermisst

Zehn Jahre nach dem verheerenden Tsunami und der Reaktorkatastrophe von Fukushima hat Japan der Opfer des Unglücks vom 11. März 2011 gedacht. Am Donnerstag um 14.46 Uhr (Ortszeit) hielten Menschen im ganzen Land für eine Schweigeminute inne, um an den Moment zu erinnern, als am 11. März 2011 ein Beben der Stärke 9,0 die Nordostküste Japans erschütterte. Die Schäden, Traumata und das Schicksal zahlreicher Vermisster prägen das Land und die Leben vieler Menschen bis heute.

Das am Meer gelegene Akw Fukushima wurde kurz nach dem Erdbeben von einer fast 15 Meter hohen Wasserwand getroffen. Das Kühlsystem des Kraftwerks fiel aus, in drei der sechs Reaktoren kam es zur Kernschmelze. Die Katastrophe verwandelte umliegende Orte in Geisterstädte. Es war das schlimmste Atomunglück seit der Tschernobyl-Katastrophe von 1986.

Etwa 18.500 Menschen starben oder gelten bis heute als vermisst. Die meisten Opfer sind auf den Tsunami zurückzuführen. Bis Dezember 2020 zählte die japanische Polizei 15.899 Todesfälle und 2527 Vermisste. Mehr als 6000 weitere Menschen erlitten durch Beben und Tsunami Verletzungen, andere starben während oder nach der Evakuierung des Katastrophengebiets.

Bei einer Zeremonie im Nationaltheater von Tokio sagte Kaiser Naruhito, dass die Erinnerung an die Tragödie auch nach einem Jahrzehnt noch anhalte. "Viele der Betroffenen haben trotz der unvorstellbar großen Schäden zahlreiche Nöte überwunden, indem sie sich gegenseitig geholfen haben", sagte er. Wegen der Corona-Lage in Tokio fand die Zeremonie in diesem Jahr mit nur wenigen Teilnehmern statt.

Ministerpräsident Yoshihide Suga sagte, die Herausforderungen für die Überlebenden seien nach wie vor groß, unter anderem auch durch die Corona-Pandemie. Japan habe aber schon immer "jede Krise mit Mut und Hoffnung überwunden".

Im ganzen Land hielten Menschen Gedenkveranstaltungen ab. Viele besuchten die Gräber ihrer Angehörigen oder übergaben Briefe an vermisste Familienmitglieder dem Meer. In Hisanohama in der Präfektur Fukushima versammelten sich Anwohner an der Küste. Eine Sirene markierte den Start der Schweigeminute. "Ich fühle mich an diesem Jahrestag sehr viel emotionaler als in den vergangenen Jahren", sagte der 86-jährige Tomoi Ogi zu AFP.

Der 21-jährige Nayuta Ganbe nahm an einer Gedenkveranstaltung in der Stadt Sendai teil. "Das ist der Tag, an dem ich meine Mitschüler verloren habe", sagte er. "Menschen starben vor meinen Augen." Er erhofft sich von seiner Teilnahme eine Verarbeitung seines Traumas.

Die Katastrophe hat das Land verändert. Viele Städte entlang der Küste haben nach 2011 große Schutzwälle am Meer errichtet sowie Fluchtrouten und Evakuierungspläne verbessert.

Bis heute konnten zehntausende Menschen nicht in ihre Häuser rund um das damals zerstörte Atomkraftwerk von Fukushima zurückkehren. Noch immer sind die meisten Atomreaktoren in Japan abgeschaltet. Pläne der Regierung, zur Nutzung der Atomkraft zurückzukehren, sind umstritten.

Manche Japaner haben auch zehn Jahre nach dem Unglück die Hoffnung nicht aufgegeben, über das Schicksal vermisster Angehöriger noch etwas zu erfahren. In der vergangenen Woche wurden die sterblichen Überreste einer Frau identifiziert, die seit 2011 verschwunden war.

Aus zahlreichen Ländern nahmen Menschen Anteil an dem Jahrestag, unter ihnen UN-Generalsekretär António Guterres und die Sängerin Lady Gaga.

In Deutschland führte die Katastrophe von 2011 zum Ausstieg aus der Atomkraft. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) legte am Donnerstag einen Zwölf-Punkte-Plan vor, um diesen zu vollenden. Zu den Vorhaben der Ministerin zählen die Schließung der Atomfabriken, die Endlagerung sowie der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien.

by Von Harumi OZAWA und Shingo ITO