Seit Monaten ist der Milliardär und Alibaba-Gründer Jack Ma verschwunden. Seit Ende Oktober hat man ihn nicht mehr gesehen... bis zum Mittwoch, als er zum ersten Mal seit fast drei Monaten wieder öffentlich auftrat. Er sprach per Video bei einer philanthropischen Veranstaltung namens Rural Teacher Initiative. Ma hielt eine Rede vor einer Gruppe von Lehrern aus Schulen in ländlichen Gebieten Chinas. Ma sprach vor 100 Dorflehrern, die ausgewählt wurden, um von der Stiftung ausgezeichnet zu werden. In dem Video wirkt Ma entspannt und kommentiert, dass die Coronavirus-Pandemie ihn in diesem Jahr daran gehindert hat, die Lehrer persönlich zu treffen. Dies beruhigte die Gerüchte, dass etwas Verdächtiges zu Ma's Verschwinden geführt hatte. Nach der Nachricht, dass Ma am Leben und wohlauf ist, schlossen die Aktien von Alibaba am Mittwoch 8,5 % höher.
Dies war der erste öffentliche Auftritt von Ma seit dem 24. Oktober 2020. An diesem Tag hielt er in Shanghai eine Rede auf einem Finanzforum, die die chinesische Regierung verärgerte. In dieser Rede erklärte Ma, die Regeln seien schlecht für die Förderung von Innovationen. Außerdem bezeichnete er die Aufsichtsbehörden, die das System durchsetzen, als "Club der alten Männer". Die Regierung begann daraufhin, das Imperium von Ma zu untersuchen. Ma und zwei Führungskräfte der Ant Group wurden von den chinesischen Finanzaufsichtsbehörden zu einer Sitzung hinter verschlossenen Türen einbestellt. Der mit Spannung erwartete Börsengang der Ant Group sollte mehr als 34 Milliarden Dollar einbringen. Der chinesische Präsident Xi Jinping entschied jedoch, den Börsengang der Ant Group sowohl in Hongkong als auch in Shanghai abzusagen. Es wurde erwartet, dass der Börsengang der Ant Group der größte der Welt sein würde. Die chinesischen Aufsichtsbehörden leiteten außerdem eine Untersuchung gegen Alibaba ein und beschuldigten die E-Commerce-Website, wettbewerbswidrig zu handeln. Ma hält sich seit der Rede vom 24. Oktober, die diese Kette von Ereignissen auslöste, bedeckt.
Nach Angaben von Personen, die Ma nahe stehen, ist er auf dem chinesischen Festland geblieben und hat sich seit Ende Oktober in Hangzhou, Peking und Sanya aufgehalten. Er stand auch in Kontakt mit seinen engen Freunden und Top-Managern bei Alibaba und Ant. Berichten zufolge war es seine Entscheidung, sich zurückzuhalten.
Die Veranstaltung am Mittwoch wurde von Ma's Stiftung organisiert. Er ist im September 2019 von Alibaba zurückgetreten, um sich wieder der Bildung und der Philanthropie zu widmen. Er gründete seine Stiftung Ende 2014, um Kindern in ländlichen Gebieten, der Entwicklung von Frauen, jungen Unternehmern und Umweltprojekten zu helfen. Die Mitarbeiter von Ma's Unternehmen bejubelten am Mittwoch sein Wiederauftauchen. Es war das Zeichen, das sie brauchten, um zu wissen, dass Ma sich einfach nur zurückgezogen hatte und nicht, wie befürchtet, von den chinesischen Behörden festgenommen worden war.
Die Behörden in Peking versuchen immer noch, zumindest einen Teil von Ma's Imperium zu schließen. Nach chinesischem Recht könnte das Land Alibaba und Ant ganz oder teilweise konfiszieren, wenn sie feststellen, dass Ma gegen die sich ständig ändernden Regeln und Gesetze verstoßen hat. Die Regulierungsbehörden sind immer noch sehr darauf bedacht, Ant zu zügeln. Das Unternehmen ist für den Geschmack der Regierung zu schnell gewachsen und soll nun sein Geschäftsmodell so umgestalten, dass es den strengen chinesischen Bankvorschriften entspricht.
Ma ist zur Zielscheibe der chinesischen Regierung geworden, weil er sich für eine offene, marktwirtschaftliche Wirtschaft einsetzt. Viele glauben, dass die Absage des Börsengangs der Ant Group eine Vergeltungsmaßnahme für seine Äußerungen gegen China ist, das versucht, die Gründung und das Wachstum von Start-ups zu bremsen.
Am selben Tag, an dem Ma wieder auftauchte, veröffentlichte die People's Bank of China einen Vorschlag für neue Regeln für Nicht-Banken-Zahlungsunternehmen, die die Alipay-Plattform der Ant Group stilllegen oder stark behindern könnten. Die Regeln besagen, dass ein Unternehmen, das den elektronischen Zahlungsmarkt dominiert, gezwungen werden könnte, sich aufzulösen oder sich einer behördlichen Prüfung zu stellen. In dem im Juni 2020 endenden Geschäftsjahr wickelte Alipay mehr als 17 Billionen US-Dollar an digitalen Zahlungen ab.
