Eine Abänderung des Infektionsschutzgesetzes soll sicherstellen, dass künftig die Lockdown-Maßnahmen für ganz Deutschland von der Bundesregierung bestimmt werden können. Damit wird der Weg frei für ein einheitliches Vorgehen in der Corona-Pandemie. Künftig soll dann ab eine Inzidenzwert von 100 automatisch die sogenannte Notbremse in Kraft treten. Dann wird es in den betroffenen Gebieten keine Ausnahmen mehr geben.
Aktuell hat sich die Pandemie-Lage in Deutschland zugespitzt. Zur Zeit wären nämlich bereits 284 der insgesamt knapp über 400 Landkreise und kreisfreien Städte von der Gesetzesänderung betroffen. Überall dort würden dann schärfere Regeln gelten, die von den Bundesländern konsequent umgesetzt werden müssten. Zu den zu treffenden Maßnahmen gehören dann eine Ausgangssperre für die Bewohner zwischen 21 Uhr am Abend und 5 Uhr am Morgen. Zudem müssten sämtliche Geschäfte vor Ort wieder schließen. Ausgenommen von dieser Maßnahme bleiben lediglich Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Drogerien, Gartencenter, Tankstellen und Buchläden. Schüler, die Präsenunterricht beiwohnen, müssen sich mindestens 2 Mal die Woche auf das Virus testen lassen. Die Unternehmen werden angewiesen so vielen Mitarbeitern wie möglich die Arbeit im Homeoffice zu ermöglichen. Diese Maßnahmen würden dann so lange gültig bleiben, bis die Zahlen vor Ort mindestens 3 Tage lang unter den Inzidenzwert von 100 rutschen. Wird sogar ein Inzidenzwert von 200 erreicht, müssen die betroffenen Gebiete auch sämtliche Schulen schließen. Nach den Zahlen vom Sonntag wäre diese Maßnahme in aktuell 42 Landkreisen in Deutschland notwendig. Ausnahmen wären nur noch für die Notbetreuung und Abschlußklassen möglich. Überall dort, wo die Inzidenzwert unter 100 liegen, liegt die Entscheidungsgewalt über die Maßnahmen weiterhin bei den jeweiligen Landesregierungen.
Bereits am Samstag hatte die Bundesregierung einen ersten Entwurf zur Gesetzesänderung an die Fraktionen und Länder verschickt. Eine erste Stellungnahme wurde von der Bundesregierung noch am Sonntag erbeten. Schon in der nächsten Woche will man die Änderung dann auf den Weg bringen. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte an, dass die Brücke der Beschränkungen möglichst kurz sein solle. Man wolle nun konsequent gegen das Virus vorgehen und dann eventuelle Öffnungsschritte mit ausgiebigem Testen verbinden. Allerdings gibt es bereits erste Kritik am Vorgehen der Kanzlerin.
So kritisierte zum Beispiel der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager (61, CDU): „Der vorliegende Entwurf ist ein in Gesetz gegossenes Misstrauensvotum gegenüber Ländern und Kommunen. Damit verlässt der Bund den Modus gemeinsamer Krisenbekämpfung und will direkt vor Ort wirkende Maßnahmen anordnen“, bedauerte Sager gegenüber der Funke Mediengruppe. Auch von Jens Gnisa (57), Direktor am Amtsgericht Bielefeld, kam Kritik: “Der Bund schießt deutlich über alle Verhältnismäßigkeits-Grenzen hinaus“, veröffentlicht der Ex-Vorsitzende des Deutschen Richterbundes in seinen sozialen Medien bei Facebook. Kritisch sieht Gnisa vor allem die nächtlichen Ausgangssperren bei Inzidenzwerten von über 100. Denn deren Wirksamkeit sei von einigen Gerichten bereits in Frage gestellt worden. Gnisa sieht in diesem Vorgehen der Bundesregierung eine “Nichtachtung der Justiz“.