Dieser Frage ging das US-amerikanische „Wall Street Journal“ (WSJ) am Wochenende nach – wie zurzeit viele internationale Medien.
Deutsche Anleger müssten sich derzeit fragen, „ob das industrielle Herz des Landes wieder einmal in kritischem Zustand ist“, heißt es in dem Artikel.
Die Ausgangslage ist denkbar düster: Die Industrieproduktion sank im Juni um 1,5 Prozent gegenüber dem Vormonat und damit stärker als von Analysten erwartet.
Das Bruttoinlandsprodukt verzeichnet seit drei Quartalen Stillstand und mittlerweile sogar leichten Rückgang (minus 0,3 Prozent). Die deutsche Industrieproduktion ist schon seit 2018 rückläufig.
Am Donnerstag fielen die Aktien von Siemens, dem größten Industrieunternehmen in Europa, um 5 Prozent.
„Ein Teil des Sandes, der in die deutsche Wirtschaftsmaschinerie eingedrungen ist, könnte schwer zu beseitigen sein“, urteilt das WSJ.
Deutschland importiert so viel Strom wie nie: 5783,4 Gigawattstunden waren es im Juli.
Deutsche Top-Manager erklären in BILD: Deutschland steigt ab! Chinesische Autohersteller hätten sich von Partnern zu erbitterten Konkurrenten entwickelt. Doch nicht nur China versucht, Importe durch einheimische Produkte zu ersetzen: Auch die Regierung von US-Präsident Joe Biden „kopiert Pekings Trick“, heißt es.
Die Angst erinnere an die Sorgen, die zu Beginn des Jahrtausends geäußert wurden, „als die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellte und die Globalisierung die Fabriken verwüstete“.
Spannend: Man hätte damals mit einem politischen Maßnahmenpaket reagiert, „das die internationale Wettbewerbsfähigkeit in den Vordergrund stellte und Anreize für die Schaffung von schlecht bezahlten Minijobs bot“. Gemeint ist die Agenda 2010 der Regierung von Ex-Kanzler Gerhard Schröder. Das Ergebnis sei „ein 20-jähriger Rückgang der Arbeitslosigkeit und ein atemberaubender Aufschwung der Wirtschaftskraft um 8 Prozent“, während die USA riesige Defizite verzeichneten. ABER: Deutschland hat sich aus Sicht der USA allzu sorglos auf den brummenden Export verlassen! „In den letzten 20 Jahren hatte Deutschland immer einen externen Sugar Daddy: China, die Eurozone und dann die USA", sagte Carsten Brzeski, Chefvolkswirt bei ING, dem WSJ. Robert Habeck lobt seine Politik, ist zufrieden mit der Wirtschaft. Stimmt das? Die Deutschen zahlen immer mehr Grundsteuer. Das dicke Ende kommt noch, warnen Experten. Der Fehler dieses Modells sei, dass es die Wirtschaftspolitik auslagerte, was zu „problematischen Abhängigkeiten von geopolitischen Rivalen“ führte. Außerdem förderte es eine übermäßige Konzentration auf „alte Gewinner“ (Automobilindustrie) auf Kosten neuer digitaler Technologien und erneuerbarer Energien.
Dann folgt ein Appell, die inländische Produktion anzukurbeln und vorhandene Standorte zu nutzen:
In einer Welt, in der die Länder um die Auslagerung von Industrien kämpfen würden, „hat Deutschland sie bereits“. Die beste Antwort auf die Krise sei nicht die Abkehr von der Produktion, sondern eine Verdoppelung der Produktion, „indem man sich ein Beispiel an der chinesischen und jetzt auch an der amerikanischen Industriepolitik nimmt“. Im Juni genehmigte die Bundesregierung 10 Milliarden Euro an Subventionen für den amerikanischen Chiphersteller Intel und vor wenigen Tagen sagte sie 5 Milliarden Euro für das taiwanesischen Unternehmen TSMC zu. ▶︎ Zumindest der Ausblick der Analyse fällt positiv aus: Historisch gesehen sei Deutschland „ein Patient, der das Krankenhaus immer wieder verlässt“.