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Israels Regierungschef Netanjahu kündigt "langen und schwierigen Krieg" an

Nach dem Großangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel hat der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu Vergeltung angekündigt und alle Palästinenser zum Verlassen von Gaza aufgefordert. "Wir beginnen einen langen und schwierigen Krieg, der uns durch einen mörderischen Angriff der Hamas aufgezwungen wurde", erklärte Netanjahu am Sonntagmorgen auf X, ehemals Twitter, während die Kämpfe zwischen der israelischen Armee und den Kämpfern der Hamas in der Nacht weiter andauerten.

Die erste Phase ende "mit der Vernichtung der Mehrheit der feindlichen Streitkräfte, die in unser Territorium eingedrungen sind", betonte der israelische Regierungschef. Gleichzeitig sei mit der "Offensivphase" begonnen worden, die "ohne Einschränkungen und Ruhepausen" weitergehen werde, bis Israel seine Ziele erreicht habe. 

Bereits zuvor hatte Netanjahu in einer Fernsehansprache angekündigt, die israelische Armee werde die Verstecke der Hamas in Gaza in "Trümmer" legen und all ihre Kraft darauf verwenden, die Fähigkeiten der Hamas zu "zerstören". Zudem forderte Netanjahu die Palästinenser zum Verlassen des Gazastreifens auf. Die Kämpfe hätten Israel dazu veranlasst, Lieferungen von Strom, Treibstoff und Waren nach Gaza zu beenden.

Die radikalislamische Hamas hatte am Samstagmorgen mit Raketenangriffen vom Gazastreifen aus einen neuen Krieg gegen Israel gestartet, auch drangen Kämpfer von dem Küstenstreifen aus in israelisches Gebiet ein. Israel reagierte mit Vergeltungsangriffen auf den Gazastreifen, den die Hamas kontrolliert. Insgesamt wurden auf beiden Seiten nach vorläufigen Angaben binnen eines Tages mehr als 300 Menschen getötet und mehr als 2000 weitere verletzt. 

Der israelische Armee nannte ihren Einsatz "Eiserne Schwerter". Am Samstagabend kämpfte sie eigenen Angaben zufolge an "22 Orten" gegen Anhänger der Hamas. Berichten eines AFP-Journalisten zufolge flog die Armee in der Nacht Luftangriffe auf mehrere Gebäude im Gazastreifen, während von dort weiter Raketen abgefeuert wurden. Laut der israelischen Armee handelte es sich bei den Zielen um "Kommandozentralen" der Hamas.

Wegen der Angriffe kam es zu Störungen am Flughafen Tel Aviv. Die Schulen blieben am Sonntag, dem Wochenanfang in Israel, geschlossen.

In Israel seien durch die Angriffe der Hamas mehr als 200 Menschen getötet worden, erklärte die israelische Armee im Onlinedienst X, ehemals Twitter. "Die Terroristen randalierten und drangen in Häuser ein und massakrierten Zivilisten", hieß es weiter. Mehr als 1000 Menschen seien zudem bei den Hamas-Angriffen verletzt worden. 

Nach palästinensischen Angaben wurden bis zum Samstagabend mindestens 232 Menschen getötet und mindestens 1697 weitere Menschen verletzt. Auch drei Hochhäuser mit mehr als zehn Stockwerken wurden in Gaza zerstört, wie AFP-Journalisten beobachteten. 

US-Präsident Joe Biden sicherte Israel die "felsenfeste und unumstößliche" Unterstützung der USA zu. Zudem warnte er, dies sei "nicht der Moment für irgendeine feindliche israelfeindliche Seite, diese Angriffe zu ihrem Vorteil auszunutzen". 

US-Außenminister Antony Blinken telefonierte angesichts der aktuellen Krise mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Blinken rief "alle Führungen in der Region" auf, die Angriffe auf Israel zu verurteilen. Laut dem Sprecher des US-Außenamts, Matthew Miller, sprach Blinken zudem mit seinem ägyptischen Amtskollegen Sameh Schukri über die "Dringlichkeit einer sofortigen Einstellung" der Kämpfe. Ägypten gilt als wichtiger Vermittler zwischen Israel und der Hamas. 

Die Vereinten Nationen beriefen für Sonntag eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrat ein, bei der es um die Lage im Nahen Osten gehen soll.

China zeigte sich angesichts der Eskalation der Gewalt "zutiefst besorgt". Peking rufe "alle betroffenen Parteien auf, Ruhe und Zurückhaltung zu bewahren, das Feuer sofort einzustellen, die Zivilbevölkerung zu schützen und eine weitere Verschlechterung der Lage zu verhindern", erklärte das chinesische Außenministerium am Sonntag. Die wiederholten Zusammenstöße zwischen den Palästinensern und Israel zeigten, dass die "langfristige Stagnation des Friedensprozesses unhaltbar ist", hieß es weiter.

Der beispiellose Großangriff der Hamas begann am frühen Morgen des jüdischen Feiertags Simchat Tora und traf Israel offenbar völlig überraschend. Die Hamas sprach von über 5000 Raketen, die sie bei ihrer "Operation Al-Aksa-Flut" auf Israel abgefeuert habe und die nicht alle von der israelischen Raketenabwehr abgefangen werden konnten. Explosionen waren auch bis Tel Aviv und Jerusalem zu hören. 

Gleichzeitig drangen Kämpfer der Hamas zu Fuß, mit Fahrzeugen, Booten und sogar mit motorisierten Gleitschirmfliegern auf israelisches Territorium vor. Sie griffen die überraschten israelischen Soldaten an der schwer gesicherten Grenze zum Gazastreifen und Zivilisten mitten auf der Straße an. Laut der israelischen Armee wurden "israelische Soldaten und Zivilisten" als Geiseln gefangen genommen und teils verschleppt.

Hunderte von Menschen flohen im Norden des Gazastreifens mit Lebensmitteln und Decken aus ihren Häusern, wie ein AFP-Journalist berichtete. Auch im Westjordanland, einschließlich des annektierten Ostjerusalem, eskalierte die Gewalt. Bei Zusammenstößen mit israelischen Streitkräften und Siedlern wurden laut dem palästinensischen Gesundheitsministerium sechs Palästinenser getötet und weitere 120 verletzt.

Die Hamas hat 2007 die Macht im Gazastreifen übernommen. Israel unterhält seither eine strikte Blockade des schmalen Küstenstreifens.

lt/kas