In der Debatte um die Justizreform in seinem Land hat der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, Appelle von Bundespolitikern als "wenig hilfreich" bezeichnet. Israel brauche keinen "erhobenen Zeigefinger", sagte Prosor im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Seit seiner Staatsgründung vor 75 Jahren habe Israel "viel geleistet". Sich kritisch mit Themen wie der Justizreform auseinanderzusetzen, sei Ausdruck einer "lebendigen und starken Demokratie und Zivilgesellschaft".
Israel begeht am Nationalfeiertag am Mittwoch den 75. Jahrestag seiner Staatsgründung im Jahr 1948. Seit diesem Tag habe Israel etliche Krisen und Konflikte erlebt und sei daraus gestärkt hervorgegangen, sagte der Botschafter. "Wenn wir zusammenarbeiten, können wir auch diese Krise überwinden."
Die Demonstranten in seiner Heimat seien dafür ein Beispiel. Denn es seien "die Israelis selbst, die mit ihren Protesten wirklich etwas bewirken können". Die Menschen demonstrierten "mit der israelischen Flagge und zeigen damit: Wir sind für den Staat, nicht gegen ihn", sagte der Botschafter.
Seit mittlerweile 16 Wochen dauern die beispiellosen Proteste im Land gegen die Regierungspläne zum Umbau der Justiz an. Die Demonstranten werfen der rechtsreligiösen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor, mit ihrer Reform die unabhängige Justiz des Landes schwächen und die Demokratie in Israel aushöhlen zu wollen.
Das Vorhaben zielt darauf ab, die Befugnisse der Justiz und des Obersten Gerichts einzuschränken und die Stellung des Parlaments und des Ministerpräsidenten zu stärken. Mit der Reform könnte die einfache Mehrheit der Abgeordneten Entscheidungen des Obersten Gerichts aufheben. Netanjahu hatte das Gesetzgebungsverfahren bis zum Nationalfeiertag am 26. April ausgesetzt, um dem "Dialog eine Chance zu geben".
Laut Prosor nimmt Israels Präsident Isaac Herzog bei der Vermittlung zwischen Regierung und Opposition eine wichtige Rolle ein. "Präsident Herzog hat dabei geholfen, alle Seiten zusammenzubringen, und er hat über die Politik hinaus immer wieder die Wichtigkeit des gesellschaftlichen Zusammenhalts betont - trotz aller Unterschiede", sagte Prosor.
Unter anderen hatte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beunruhigt über die Justizreform und den "geplanten Umbau des Rechtsstaates" in Israel gezeigt. Er stehe zu diesem Thema "in regelmäßigem Austausch mit meinem Freund und Amtskollegen Isaac Herzog", hatte er erklärt. Er setze "auf seine kluge und ausgleichende Stimme in der israelischen Debatte".
Zur Warnung der Opposition, Israel werde aufgrund der durch die Reform ausgelösten innenpolitischen Krise nach außen hin geschwächt, äußerte sich Prosor mit den Worten: "Unsere Feinde sollten uns nicht auf die Probe stellen. Wir sind stark bei der Verteidigung unserer Werte und unseres Staates."
Dabei verwies Prosor auf die Errungenschaften seines Landes in den 75 Jahren seines Bestehens: Israel sei mittlerweile führend in etlichen Bereichen, darunter bei der Verteidigung, in Wissenschaft und Medizin sowie bei innovativen Start-up-Technologien.
Auch die "enge Zusammenarbeit" mit Deutschland hob Prosor als Errungenschaft hervor. "Israel und Deutschland arbeiten in allen Bereichen zusammen - von Wissenschaft bis Jugendaustausch und Verteidigung", sagte er. "Allein die Tatsache, dass der jüdische Staat 75 Jahre nach seiner Gründung Deutschland und Europa mit dem Luftabwehrsystem Arrow 3 verteidigt, ist eine enorme Leistung."
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