Die israelische Armee hat am Mittwoch das größte Krankenhaus im Gazastreifen gestürmt. Im Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt fand ein Militäreinsatz statt, wie israelische und palästinensische Behörden am Mittwoch erklärten. Die USA bestätigten indes Angaben Israels, wonach die islamistische Hamas ein Kommandozentrum auf dem Klinikgelände eingerichtet hat. Nach der Stürmung bekräftigte das Weiße Haus die Forderung, dass Krankenhäuser und Patienten geschützt werden müssen.
Das israelische Militär erklärte, es habe einen "gezielten" Einsatz in dem Krankenhaus ausgeführt. "Auf der Grundlage nachrichtendienstlicher Informationen (...) führen israelische Verteidigungskräfte eine präzise und gezielte Operation gegen die Hamas in einem bestimmten Bereich des Al-Schifa-Krankenhauses aus", hieß es in einer Erklärung. Der Einsatz ziele auf eine mutmaßliche Kommandozentrale der Hamas auf dem Gelände ab.
US-Geheimdienstquellen bestätigten indes Angaben Israels zu einer Hamas-Zentrale auf dem Klinikgelände. Die Hamas und der Islamische Dschihad "betreiben einen Kommando- und Kontrollknotenpunkt von Al-Schifa in Gaza-Stadt aus", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Dienstag (Ortszeit) vor Journalisten. Die Hamas-Kämpfer hätten dort "Waffen gelagert und sind darauf vorbereitet, auf eine israelische Militäroperation (...) zu reagieren."
Ein Beamter des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums sagte der Nachrichtenagentur AFP, er habe Panzer im Inneren des Krankenhauskomplexes und "dutzende Soldaten (...) in den Notaufnahme- und Empfangsgebäuden" gesehen. Jussef Abul Reesch forderte die internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen auf, "sofort und dringend zu intervenieren, um die israelische Stürmung zu stoppen."
Nach UN-Angaben befinden sich mindestens 2300 Patienten, Mitarbeiter und vertriebene Zivilisten in der Einrichtung, die nach tagelangen heftigen Kämpfen und Luftangriffen komplett abgeriegelt ist. Das Gesundheitsministerium der Hamas sprach von 20.000 Menschen in dem Krankenhauses, darunter tausende Verletzte.
Zeugen haben die Zustände in der Klinik als verheerend beschrieben: Medizinische Eingriffe finden ohne Betäubung statt, es gibt kaum noch Wasser, Nahrung oder Treibstoff. Wie Krankenhausdirektor Mohammad Abu Salmija erklärte, liegen im Gebäude Leichen herum, in den Leichenhallen gibt es keinen Strom mehr. 179 Tote seien in einem Massengrab bestattet worden.
Israelische Streitkräfte erklärten, sie hätten der Hamas eine Frist von zwölf Stunden gesetzt, um jegliche Militäroperation in dem Krankenhaus einzustellen. "Leider ist dies nicht erfolgt", erklärte das Militär und forderte erneut "alle im Krankenhaus anwesenden Hamas-Terroristen auf, sich zu ergeben".
Das Weiße Haus erklärte nach dem Angriff, es werde sich "nicht zu den Einzelheiten einer laufenden israelischen Militäroperation äußern." Die USA unterstützten Angriffe auf ein Krankenhaus nicht. "Krankenhäuser und Patienten müssen geschützt werden", sagte ein Sprecher. Am Montag hatte bereits US-Präsident Joe Biden betont, das Krankenhaus müsse geschützt werden.
Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas machte indes den US-Präsidenten für die Stürmung des Krankenhauses verantwortlich. "Wir machen die Besatzung (Israel) und Präsident Biden für den Angriff auf (...) Al-Schifa verantwortlich", erklärte die Hamas am Mittwoch. Der falsche Vorwurf der USA, wonach "der Widerstand" das Krankenhaus für militärische Zwecke nutze, habe Israel grünes Licht für "weitere Massaker an Zivilisten" gegeben, hieß es.
Hunderte Kämpfer der Hamas waren am 7. Oktober nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1200 Menschen in Israel getötet und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Seitdem greift das israelische Militär Ziele im Gazastreifen an, inzwischen kämpfen auch Bodentruppen in dem Palästinensergebiet. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden im Gazastreifen bislang mehr als 11.300 Menschen getötet.
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