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Israelische Armee ruft zu Massenevakuierung im Norden des Gazastreifens auf

Sechs Tage nach dem Großangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel hat die israelische Armee die Palästinenser zu einer Massenevakuierung im Norden des Gazastreifens aufgefordert. Am Freitag rief sie rund 1,1 Millionen Zivilisten in dem Palästinensergebiet auf, ihre Häuser in Richtung Süden zu verlassen. Die UNO kritisierte die Aufforderung und warnte vor einer humanitären Katastrophe. Auch die radikalislamische Hamas wies die Evakuierungsaufforderung zurück. Unterdessen trafen mehrere Spitzenpolitiker, unter ihnen Außenministerin Annalena Barbock (Grüne), zu Solidaritätsbesuchen in Israel ein.

Israel begründete den Aufruf zur Evakuierung des nördlichen Gazastreifens mit geplanten Einsätzen des Militärs in den kommenden Tagen. Alle Zivilisten sollten sich zu "ihrer eigenen Sicherheit" in ein Gebiet südlich des Flusslaufs Wadi Gaza begeben, erklärte die Armee. Um die Bevölkerung zu informieren, wurden unter anderem Flugblätter in arabischer Sprache per Drohnen über dem Gazastreifen abgeworfen. 

In den Straßen von Gaza luden am Morgen zahlreiche Bewohner Habseligkeiten und Kinder auf Anhänger und begaben sich auf dem Weg in Richtung Süden. Die machthabende radikale Palästinenserorganisation Hamas kündigte an, sich der Aufforderung zur Evakuierung zu widersetzen. "Wir bleiben standhaft auf unserem Land, in unseren Häusern und unseren Städten. Es wird keine Vertreibung geben", hieß es in einer Stellungnahme.

Die Vereinten Nationen warnten vor "verheerenden humanitären Folgen" durch die Umsiedlung der Zivilbevölkerung. Ein Sprecher der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte, das palästinensische Gesundheitsministerium habe seine Organisation informiert, "dass es unmöglich ist, schutzbedürftige Krankenhauspatienten aus dem Norden des Gazastreifens zu evakuieren".

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erklärte, er lehne "die Vertreibung unseres Volkes aus dem Gazastreifen strikt ab". Dies käme einer "zweiten Nakba" gleich, betonte er laut einer von der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa veröffentlichten Erklärung. Er bezog sich mit dem Begriff "Nakba" (Katastrophe) auf die Flucht von rund 760.000 Palästinensern nach Israels Staatsgründung im Jahr 1948.

Die israelische Armee hatte den Gazastreifen nach dem Großangriff der Hamas am vergangenen Samstag unter Dauerbeschuss genommen. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu drohte, die radikalislamische Hamas vollständig zu "zerstören". 

Nach eigenen Angaben warf die israelischen Armee bisher 6000 Bomben über dem Gebiet ab. Zudem erklärte sie, sich auf eine mögliche Bodenoffensive im Gazastreifen vorzubereiten. Im Gazastreifen wurden nach Angaben von Hamas-Behörden bislang mehr als 1530 Menschen getötet. 

Unterdessen stieg die Zahl der Todesopfer auf israelischen Seite auf 1300, darunter laut israelischer Armee mehr als 250 Soldaten. Im Zuge ihres Angriffs nahmen Hamas-Kämpfer rund 150 Geiseln. 13 von ihnen, darunter auch Ausländer, seien durch Angriffe Israels getötet worden, gab die Palästinenserorganisation am Freitag bekannt.  

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) traf am Freitagvormittag in Israel ein. Im Süden des Landes führte sie nach AFP-Informationen Gespräche mit ihrem Kollegen Eli Cohen und traf Angehörige von verschleppten deutschen Staatsangehörigen. Vor ihrem Abflug hatte die Außenministerin den Großangriff der Hamas gegen Israel als "brutale Zäsur" bezeichnet und betont, dass Deutschland "fest und unverbrüchlich" an der Seite Israels stehe. 

Begleitet wurde Baerbock auf ihrer Reise vom israelischen Botschafter in Deutschland, Ron Prosor. Auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Europaparlaments-Präsidentin Roberta Metsola hielten sich am Freitag zu Solidaritätsbesuchen in Israel auf. 

lt/jes/ju