Es ist ein Meilenstein in den schwierigen Beziehungen zwischen Israel und dem Libanon: Vertreter der verfeindeten Nachbarstaaten sind am Mittwoch erstmals zusammengekommen, um in Gesprächen unter US-Vermittlung über ihre umstrittene Seegrenze zu verhandeln. Nach Angaben libanesischer Staatsmedien dauerte die erste Gesprächsrunde auf dem UN-Stützpunkt im südlibanesischen Nakura eine Stunde. Fortgesetzt werden sollen die Gespräche demnach in zwei Wochen.
Die erste Gesprächsrunde fand unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt. Soldaten der UN-Mission Unifil riegelten Straßen in der Nähe des Stützpunkts ab, die libanesische Armee überflog die Grenzstadt mit Hubschraubern und Flugzeugen. Geleitet werden die von seiner Regierung als "historisch" bezeichneten Gespräche vom US-Botschafter für Algerien, John Desrocher.
Die libanesische Delegation teilte nach Abschluss der ersten Gesprächsrunde mit, sie hoffe auf eine Beilegung des Grenzstreits in "angemessener Zeit". Die Gespräche seien der "erste Schritt in einem Tausend-Meilen-Marsch hin zu einer Grenzziehung", erklärte der Delegationsleiter, der Brigadegeneral Bassam Yassin.
Aus Kreisen des israelischen Energieministeriums hieß es, es werde eine Lösung innerhalb "weniger Monate" erhofft. Es gehe um ein genau definiertes, begrenztes Problem". Die israelische Seite mache sich aber "keine Illusionen". Israel gehe nicht mit dem Ziel in die Verhandlungen, einen "Normalisierungs- oder Friedensprozess zu starten".
In dem Grenzstreit geht es vor allem um einen 860 Kilometer langen Abschnitt vor der Küste beider Länder. Sowohl Israel als auch der Libanon erheben Anspruch auf das Seegebiet. 2018 hatte Beirut Verträge für Öl-Explorationen in dem umstrittenen Seegebiet mit den Unternehmen Total, ENI und Novatek geschlossen. Angesichts der schweren Wirtschaftskrise, in welcher der Libanon steckt, hofft Beirut auf eine Lösung in dem Konflikt, um den Startschuss für die Explorationen geben zu können.
Israel wird bei den Gesprächen durch eine sechsköpfige Delegation vertreten, der Vertreter des Energieministeriums, der Armee sowie der außenpolitische Berater von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angehören.
Die in den vergangenen Wochen unter US-Vermittlung zustande gekommenen Abkommen der Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain mit Israel zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen hatten Gerüchte genährt, dass es auch bei den Gespräche in Nakura um um mehr als nur den Grenzkonflikt gehen könnte. Dies wies die libanesische Regierung jedoch zurück.
Anders als Israel sprach Beirut nicht von "direkten Verhandlungen". Es handele es sich um rein technische Gespräche, die keine politische Normalisierung der Beziehungen zu Israel bedeuteten.
Scharfe Kritik an den Gesprächen kam von der schiitischen Hisbollah. Die Beteiligung libanesischer Zivilisten an den Gesprächen schade den libanesischen Interessen und laufe darauf hinaus, "dass der israelischen Logik nachgegeben wird, die eine Art Normalisierung der Beziehungen anstrebt, erklärte die einflussreiche Bewegung am Dienstag. Die ihr nahestehende Zeitung "Al-Akhbar" schrieb, die Verhandlungen markierten einen "Moment der beispiellosen politischen Schwäche des Libanon". Nutznießer der Verhandlungen sei Israel.
Israel und der Libanon befinden sich formal noch im Kriegszustand. 2006 hatte Israel Krieg gegen die libanesische Hisbollah-Miliz geführt. Der damalige libanesische Ministerpräsident Fuad Siniora hatte damals gesagt, der Libanon werde "das letzte arabische Land sein, das mit Israel Frieden schließt".
by Von Rouba EL HUSSEINI