Vor einer erneuten Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über eine Waffenruhe im Gazakrieg gerät die israelische Regierung zunehmend unter Druck. Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna bekräftigte am Dienstag nach einem Treffen mit ihrem britischen Amtskollegen David Cameron ihre Forderung nach einer "sofortigen und anhaltenden Waffenruhe". Zuvor hatte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bei einem Besuch in Israel auf zusätzliche Hilfe für die Menschen im Gazastreifen gedrängt. Ungeachtet der internationalen Forderungen setzte Israel seine massiven Angriffe in dem Palästinensergebiet fort.
Der von den Vereinigten Arabischen Emiraten vorgelegte Resolutionsentwurf, über den der UN-Sicherheitsrat am Dienstag beraten wollte, fordert eine "dringende und dauerhafte Einstellung der Feindseligkeiten" im Gazastreifen, um einen "sicheren und ungehinderten humanitären Zugang" zu dem weitgehend abgeriegelten Palästinensergebiet zu ermöglichen.
Die Abstimmung sollte ursprünglich am Montag stattfinden. Nach Information der Nachrichtenagentur AFP war sie vertagt worden, um weitere Verhandlungen zu ermöglichen und ein mögliches Veto zu vermeiden.
Am 8. Dezember war die Verabschiedung einer UN-Resolution für eine "sofortige humanitäre Waffenruhe" am Veto der USA gescheitert. Die Resolutionen des Sicherheitsrates sind bindend, werden aber regelmäßig von den betroffenen Ländern ignoriert. Israel lehnt eine Waffenruhe ab.
Ob sie dem jüngsten Resolutionsentwurf zustimmen werde, ließ die US-Regierung zunächst offen. "Wir versuchen immer, eine Formulierung zu finden, mit der wir und die anderen Mitglieder des Sicherheitsrates einverstanden sind", sagte Außenamtssprecher Matthew Miller.
Zuvor hatte US-Verteidigungsminister Austin Israel bei einem Besuch in Tel Aviv weitere Waffenlieferungen in Aussicht gestellt, zugleich jedoch auch die Notwendigkeit betont, "Schäden bei der Zivilbevölkerung" zu verringern. "Wir müssen mehr humanitäre Hilfe für die fast zwei Millionen Vertriebenen im Gazastreifen bereitstellen und diese Hilfe besser verteilen", sagte Austin.
Die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen waren durch einen beispiellosen Großangriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel ausgelöst worden. Hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Palästinenserorganisation waren in israelische Orte eingedrungen und hatten dort Gräueltaten an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1140 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Als Reaktion begann Israel Ziele im Gazastreifen anzugreifen und startete eine Bodenoffensive. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang mehr als 19.660 Menschen getötet.
Trotz der internationalen Forderungen nach einer Einstellung der Kämpfe setzte Israel seine Angriffe im Gazastreifen fort. Bei nächtlichem Beschuss der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens wurden laut der von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mindestens 20 Palästinenser getötet, darunter vier Kinder und ein Journalist. Reporter der AFP berichteten zudem von Angriffen auf die Städte Chan Junis und Gaza.
Das israelische Militär meldete derweil den Fund von Sprengstoff in einem Krankenhaus in Schujaija, einem Vorort der Stadt Gaza. Es erklärte zudem, Tunnel der Hamas zerstört und Kämpfer getötet zu haben.
In Tel Aviv mussten sich die Menschen aufgrund vor erneutem Raketenbeschuss der Hamas aus dem Gazastreifen in Sicherheit bringen.
Der Leiter des Al-Ahli-Arab-Krankenhauses in Gaza erklärte, die Klinik habe nach der Erstürmung durch die israelische Armee ihren Betrieb eingestellt. Es könnten "weder Patienten noch Verletzte" aufgenommen werden, sagte er gegenüber der AFP.
Israel wirft der Hamas vor, in Krankenhäusern im Gazastreifen militärische Infrastruktur eingerichtet zu haben und Zivilisten als "menschliche Schutzschilde" zu missbrauchen. Die Palästinenserorganisation weist dies zurück.
Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt im Gazastreifen berichtete der Sprecher des Kinderhilfswerks Unicef, James Elder, dass auch das Nasser-Krankenhaus in Chan Junis innerhalb von 48 Stunden zweimal bombardiert worden sei. Der Gazastreifen sei der "gefährlichste Ort der Welt" für Kinder, betonte Elder in Genf. Er sei "wütend, dass die Machthaber angesichts der humanitären Albträume, die einer Million Kinder zugefügt werden, nur mit den Schultern zucken".
Unterdessen hieß es am Dienstag aus Katar, es gebe "laufende diplomatische Bemühungen zur Erneuerung einer humanitären Pause" im Gazastreifen. Die Hamas erklärte, sie sei zu einem Gefangenenaustausch bereit, "aber erst nach einem Waffenstillstand".
Der Golfstaat war im November neben den USA und Ägypten maßgeblich an der Vermittlung einer mehrtägigen Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas beteiligt. In diesem Rahmen waren Ende November etwa hundert israelische Geiseln freigelassen worden. Im Gegenzug ließ Israel 240 palästinensische Häftlinge aus den Gefängnissen frei.
lt/cp