Die israelische Armee hat ihren Militäreinsatz gegen die radikalislamische Hamas im Gazastreifen fortgesetzt. Das von der Hamas geleitete Gesundheitsministerium meldete in der Nacht zum Sonntag mindestens 30 Tote bei einem von der israelischen Armee zunächst nicht bestätigten Angriff auf ein Flüchtlingslager. Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant sprach derweil von "schweren Kämpfen", Truppen seien in Wohngebiete eingedrungen. US-Außenminister Antony Blinken wollte unterdessen am Sonntag zu einem zweitägigen Besuch in die Türkei reisen.
Die Hamas erklärte, die Mehrheit der Opfer des Angriffs auf das Flüchtlingslager Al-Maghasi seien Frauen und Kinder. Ein israelischer Militärsprecher sagte, es werde geprüft, ob die israelische Armee zu dem Zeitpunkt in dem Gebiet im Einsatz war.
Ein Journalist der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu sagte der Nachrichtenagentur AFP, sein Haus sei teilweise eingestürzt, als ein Luftangriff das Haus seiner Nachbarn im Flüchtlingslager Al-Maghasi getroffen habe. Dabei seien zwei seiner Kinder getötet worden.
Israel wirft der Hamas vor, Flüchtlingslager sowie UN-Schulen und Krankenhäuser als Verstecke und Waffenlager zu missbrauchen. Die Hamas bestreitet dies.
Die Hamas setzte derweil die Evakuierung von Ausländern und Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft aus dem Gazastreifen nach Ägypten aus. Grund sei die Weigerung Israels, verletzte Palästinenser in ägyptische Krankenhäuser bringen zu lassen, sagte ein Vertreter der Grenzübergangsverwaltung der Nachrichtenagentur AFP.
"Kein ausländischer Passinhaber darf den Gazastreifen verlassen, bevor die Verletzten, die aus den Krankenhäusern im nördlichen Gazastreifen evakuiert werden müssen, zum Rafah-Terminal transportiert werden können", sagte der Beamte, der nicht namentlich genannt werden wollte. Nach US-Angaben hatte die Hamas versucht, über den zeitweise geöffneten Grenzübergang Rafah eigene Kämpfer aus dem Gazastreifen auszuschleusen.
Insgesamt hatten seit Mittwoch hunderte Menschen den Gazastreifen über den Übergang Rafah verlassen. Ägypten kündigte am Donnerstag an, bei der Evakuierung von "etwa 7000" Ausländern und Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft aus dem Palästinensergebiet zu helfen.
Der israelische Verteidigungsminister Gallant kündigte unterdessen an, den Hamas-Chef Jahja Sinwar im Gazastreifen aufspüren und töten zu wollen. Sinwar gilt als einer der Drahtzieher des Großangriffs auf Israel am 7. Oktober. Der 61-Jährige ist seit 2017 der politische Anführer der im Gazastreifen herrschenden Hamas.
Nach Angaben aus Sicherheitskreisen verstecken sich Sinwar und der militärische Hamas-Anführer Mohammed Deif im Tunnelsystem im Gazastreifen. Ihre Kämpfer hatten vor rund vier Wochen etwa 1400 Menschen in Israel grausam ermordet und mehr als 240 weitere entführt. Durch die anschließenden israelischen Angriffe in dem dicht besiedelten Palästinensergebiet wurden nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, mehr als 9400 Menschen getötet.
Israels Verteidigungsminister Gallant sprach zudem von "schweren Kämpfen" im Gazastreifen und sagte, Truppen seien in Wohngebiete eingedrungen. Erstmals seit Kriegsbeginn besuchte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi Truppen im Gazastreifen.
US-Außenminister Antony Blinken wollte am Sonntag derweil seine Reise in der Region mit einem Besuch in der Türkei fortsetzen. Dort seien er unter anderem Gespräche über mögliche Wege zu einem "dauerhaften und nachhaltigen Frieden im Nahen Osten" geplant, zu denen "die Einrichtung eines palästinensischen Staates" gehöre, teilte das US-Außenministerium mit. Ankara gab am Samstag bekannt, dass es seinen Botschafter in Israel für "Konsultationen" in die Heimat zurückrufe.
Bei einem Treffen mit seinen Kollegen aus arabischen Ländern in Jordanien hatte Blinken am Samstag seine Forderung nach "humanitären Pausen" wiederholt. Diese sollen dazu beitragen, Zivilisten zu schützen und mehr Hilfe in den Gazastreifen zu bringen. Eine dauerhafte Waffenruhe schließen die USA, aber auch Israel aus, da diese es nach ihrer Ansicht der dort herrschenden Hamas ermöglichen würde, sich neu zu organisieren.
mhe/se