Apple hat erstmals zu einem Event in den neuen Firmensitz geladen und dort unter anderem drei neue iPhones vorgestellt. Ein umfassender Überblick über die Neuvorstellungen und ein Ausblick, was davon für Android-Nutzer relevant werden kann.
Nach einem ziemlich langatmigen Round-Up der neuen Highlights in den markanten Retail-Stores des Unternehmens eröffnete man den Reigen der Produktneuerungen mit der Apple Watch.
Nimmt man den kometenhaften Aufstieg der Smartphones zum Vergleich, fristen Wearables noch immer ein rechtes Nischendasein. Aber nur gemessen an den eigenen Standards ist die Watch kein Verkaufsschlager, denn Apple dominiert den insgesamt noch recht überschaubaren Markt bereits seit der ersten Generation und hat sich nun auch im Vergleich mit den tradierten Uhrenherstellern auf den weltweit ersten Platz geschoben.
Auf dem Event eben gab es dann auch eine neue Apple Watch zu sehen, die in den Dimensionen exakt dem Vorgänger entspricht, aber nun einen optimierten Apple W2 Dual-Core SoC und vor allem ein integriertes LTE- und UMTS-Modem integriert. Dank eSIM kann man also auch unabhängig vom iPhone – das weiterhin einzige Smartphone, mit dem die Watch kompatibel ist – unterwegs Anrufe entgegennehmen, Nachrichten empfangen und Musik streamen. Außerdem ist das Gehäuse weiterhin wasserfest, in insgesamt drei Farbvarianten erhältlich und neue Armbänder gab es auch. Bei Watch OS hat sich dagegen meinem Empfinden nach nicht viel getan, es gibt aber kleinere neue Fitness-Features und Siri kann jetzt auch sprechen. Yay. Los geht es bei 369 Euro.
Wirklich spannend wurde es auch mit Apple TV nicht. Denn man lieferte zwar eine neue Box mit A10X-SoC – dem sensationellen Chipsatz des aktuellen iPad Pro – aber insgesamt nur die Features, die alle schon im letzten Jahr erwartet hatten: Unterstützung für 4k- und HDR-Inhalte. Außerdem gibt es ein neues Live Sports-Feature, massig Leistung für mäßig interessante Spieletitel und ein Modell mit 64GB. Da es preislich ab 199 Euro losgeht, wird der alte Apple TV als Einstiegsmodell im Portfolio behalten.
Ab dem 15. September kann man die neuen Produkte bestellen, am 22. September werden sie erhältlich sein.
Nachdem es im letzten Jahr ein iPhone 7 und 7 Plus gab, hat man diesmal das s-Modell schlicht übersprungen und ist direkt zur 8 übergegangen. Vielleicht weil man es sich nicht bieten lassen wollte, dass DAS Smartphone vom größten Konkurrenten – dem Galaxy S8 – auch bei der Nummerierung überholt wird. Die neuen Features allein, rechtfertigen jedenfalls nicht den ungewohnten Sprung.
Weiterhin wird es ein iPhone mit 4.7 Zoll Display und eins mit 5.5 Zoll geben, beides Retina HD-Displays mit 3D Touch und einem bemerkenswert dünnen Rand – für 2006er-Verhältnisse. Nein, an der Front hat sich nichts geändert, wer sein iPhone direkt als ein 2017er-Modell identfiziert haben möchte, wird wohl zum X greifen müssen. Dafür hat sich Apple der Rückseite angenommen und setzt dort erstmals seit dem iPhone 4s wieder auf Glas, das es ermöglicht, den QI-Standard und damit erstmals auch Wireless Charging zu unterstützen.
GPS, GLONASS Bluetooth 5.0, Wi-Fi ac und der Lightning-Anschluss sind natürlich weiterhin an Bord, außerdem verpricht der neue Apple A11 Bionics Chipsatz neue Rekorde in mobiler GPU- und CPU-Performance. Bei der Akkulaufzeit nimmt man kein Blatt vor den Mund und verkündet, dass beide Smartphones etwa so lange halten werden wie die Vorgänger, dafür sind sie in 30 Minuten zu 50 Prozent aufgeladen.
In puntco Kamera bleibt es dabei, dass nur das Plus-Modell die Dual-Cam spendiert bekommt. Und fast konnte man aber die Frustration raushören, als man der Ankündigung, beide Sensoren wären mit einem Optischen Bildstabilisator ausgestattet, kein “an industry first” folgen lassen konnte. Da ist Samsung einem mit dem Note 8 dummerweise zuvorgekommen. 4k-Videos mit bis zu 60fps und Slow Motion Videos in FHD bei 120fps können beide Modelle bieten, das iPhone 8 Plus ermöglicht aber mit seiner Kombination aus einer 12 Megapixel f/1.8-Weitwinkel- und einer 12 Megapixel f/2.8-Telephoto-Kamera einen optischen Zoom und Portrait-Modus, auf den man beim iPhone 8 mit seiner 12 Megapixel Kamera und der f/1.8-Blende verzichten muss. Auf der Front kommt dagegen in beiden Smartphones eine 7 Megapixel-Kamera mit einer Blende von f/2.2 zum Einsatz und auch weiterhin findet sich dort ein Homebutton mit integiertem Fingerabdruckscanner.
Das iPhone 8 wird mit 64GB internem Speicher 799 Euro, mit 256GB 969 Euro kosten. Dagegen beginnt das 64GB-iPhone 8 Plus erst bei 909 Euro und kostet mit 256GB dann stolze 1079 Euro.
Auch im Publikum wurde den neuen iPhone 8-Modellen aber nur mäßig Interesse entgegengebracht, denn eigentlich warteten alle auf die drei Worte, die man aus dem Munde eines Apple-CEO am liebsten hört. Das One More Thing kam dann auch und wie erwartet war es ein iPhone X – oder ausgesprochen scheinbar tatsächlich iPhone Ten. Die zehnjährige Jubiläums-Edition die erneut das leisten will, was dem ersten iPhone so spektakulär gelungen ist: Eine Produkkategorie (neu) zu erfinden.
Auch wenn man sich dafür nicht wirklich interessiert, kam man an entsprechenden Leaks nicht vorbei und so konnten wir uns schon Monate vorher ein recht genaues Bild von dem neuen Formfaktor machen. Was man bei den beiden 8er-Modellen gekonnt umgangen hat, wurde hier umso radikaler vollzogen: Der Rahmen wurde in alle Richtungen deutlich geschrumpft und das fancy neue OLED-Display nimmt nun beinahe die gesamte Front ein. Apple-typisch ist natürlich alles symmetrisch gehalten, daher findet sich anders als beim Xiaomi Mi Mix 2 kein “Kinn” am unteren Ende, sondern das Display weist zu allen Seiten einen gleichmäßigen Abstand zu dem umlaufenden Metallrahmen auf – erinnert ein bisschen an eine Apple Watch in groß.
Da man natürlich noch immer eine Frontkamera – und mangels Fingerabdrucksensor auch ein halbes Dutzend Sensoren für die neue FaceID-Technologie – braucht, hat man die wohl pragmatischste Lösung gewählt und am oberen Rand einen Streifen für diese reserviert. Erinnert vom Konzept an das Essential Phone, fällt aber breiter (und optisch sehr viel ansprechender) aus. Apple kann sich sowas leisten, denn die volle Kontrolle über iOS erlaubt nicht nur eine einmalige Performance, sondern auch die Möglichkeit, so etwas wie die Darstellung der oberen Leiste entsprechend zu optimieren.
Auch iOS 11 wurde wegen des all-screen-Displays teils deutlich umgebaut. Der Homebutton samit Fingerprint-Sensor ist weggefallen, wurde durch einen Swipe vom unteren Rand ersetzt, ein anschließendes kurzes Verharren in der Mitte des Displays führt in die horizontal scrollbare Recent Apps-Liste, ein horizontaler Swipe am unteren Rand direkt in die letzte App. Siri kann über den Powerbutton aufgerufen werden, und Apple übernimmt das populäre Double-Tap-To-Wake Feature, nur reicht hier schon ein einfaches Tippen aufs Display.
Auch das iPhone X setzt natürlich auf den neuen Apple A11 Bionics-Chip, dem wahlweise 64 oder 256 GB interner Speicher zur Seite stehen. Bluetooth 5.0, Apple Pay samt NFC, Wi-Fi ac und LTE dürfen natürlich ebenfalls nicht fehlen, außerdem ist auch das iPhone X IP67-zertifiziert. Bei dem OLED-Panel handelt es sich nun um ein Super Retina HD Display, das dem fancy Namen mit einer Pixeldichte von 458ppi (2436*1125 auf 5.8 Zoll) gerecht werden will und außerdem HDR-Support, 3D-Touch und einen typischen Kontrast von eins zu einer Million auffahren kann. Auch auf der Rückseite kommt hier Glas zum Einsatz, Wireless-Charging ist damit ebenfalls möglich.
Bleiben noch die beiden Kameras: Apple kombiniert hier erneut zwei 12 Megapixel-Sensoren, ein Weitwinkel- und ein Telephoto-Sensor, mit einer f/1.8- respektive f/2.4-Blende. 4k-Videos bei 60fps sind ebenso machbar wie FHD Slow-Motion-Videos mit 120fps und die 7 Megapixel TrueDepth-Frontkamera wartet mit einer f/2.2-Blende und 1080p-Videos auf. Die Details sind eigentlich nicht sonderlich wichtig, denn das Apple hier wieder eine der besten Smartphone-Kameras abliefern wird, ist relativ vorhersehbar und ob sie mit dem HTC U11, dem LG V30 und dem Samsung Galaxy Note 8 wird mithalten können, werden wir eh erst später erfahren.
Aber eine Sache muss man doch noch anprangern: Das Animoji-Feature (ein dutzend verschiedener Motive, die dieselben neuralen Netze der FaceID-Technik nutzen, um sich den Gesichtsausdrücken und Mundbewegungen anzupassen) sind es absolut nicht wert, dass darauf bei einem solchen High-End-Smartphone, dem One More Thing auf einem Apple-Event, so viel Zeit verschwendet wird.
Und zu guter Letzt dann noch der Preis des iPhone X: Wie erwartet, ein teurer Spaß. Ganze 1149 Euro möchte Apple für das 64GB-Modell sehen, 256GB interner Speicher bedeuten einen Preis von 1319 Euro.
Carsten hat bei den mobilegeeks vor dem Event einen schönen Artikel dazu geschrieben, dass der heutige Abend (deutscher Zeit) eine Gelegenheit für Tim Cook sein wird, aus dem Schatten des Firmengründers zu treten. Aber während Steve Jobs es sich nicht hätte nehmen lassen, das iPhone 8, oder wenigstens das iPhone X, persönlich vorzustellen, war Cook kaum präsent. Wenn er doch einmal auf der Bühne stand, dann nur um den nächsten Sprecher abzuklatschen oder eine Produktvorstellung mit dem obligatorischen Werbespot abzurunden. Dabei hat Cook sogar das One More Thing ankündigen dürfen, nur um dann doch wieder abzuhauen und sich erst wieder als animiertes Emoji-Alien zurückzumelden.
Ob Apple mit den neuen iPhones nun auch neue Standards gesetzt hat, werden wir wohl erst in den kommenden Wochen wissen, wenn die ersten Testberichte eintrudeln. Erfreulich ist aber schonmal, dass man bereits vorhandene Standards aufgreift. Wireless Charging beispielsweise fristet seit Jahren ein Nischendasein auf der Android-Plattform. Samsung ist zu lange der nahezu einzige Hersteller gewesen, der sich in diesem Bereich um echte Fortschritte bemüht hat, auch wenn Nokia unter Microsoft-Führung ebenfalls viel zu der Akzeptanz von QI beigetragen hat.
Das Apple den QI-Standard aber nun aufgreift und in sein gesamtes iPhone-Lineup integriert, wird sicher einmal mehr der Stein des Anstoßes für die anderen Android-OEMs sein, sich damit näher auseinanderzusetzen. So wie Fingerabdrucksensoren, Dual-Cams und größere Displays keine Erfindung der Kalifornier sind, hat es dennoch das Nachziehen Cupertinos gebraucht, um diese Trends zu beschleunigen. Dismal werden nun weitere Dual-Cam-Smartphones, neue Bluetooth 5.0-Perihperie und endlich auch mehr Zubehör für QI-Charging folgen.
Was im iPhone verbaut wird, das akzeptieren die Kunden erfahrungsgemäß eher als neuen de facto-Standard, den man von jedem Smartphone erwarten sollte und so profitieren letztlich alle davon. Sicher werden wir dem ein oder anderen an diesem Feature bisher auffällig desinteressiertem iOS-Nutzer mehrfach erklären müssen, dass auch Wireless Charging nicht von Apple erfunden wurde, aber das ist ein Preis, den man wohl zahlen kann.
Nahezu randlose Smartphones hätte es auch ohne das iPhone X gegeben, durch dessen sehr selbstbewusste Preisgestaltung können Xiaomi, Samsung und LG ohenhin erst einmal aufatmen. Spannend wird aber, wie Mountain View darauf reagieren wird, dass Apple anscheinend auch weiter Virtual- und Augmented Reality pusht.Nachdem man mit Google Cardboard so früh dran war und mit Project Tango eine vielversprechende AR-Plattform angekündigt hatte, sind beide Projekte irgendwie im Sand verlaufen. Apple dagegen hat schon jetzt einen guten Stand, was AR- und VR-Anwendungen im Consumer-Bereich angeht und bewegt sich mit dem A11X und der TrueDepth-Kamera erkennbar weiter in diese Richtung.
Auch dass man im Bereich Wearables trotz Android Wear 2.0 scheinbar noch einiges an Aufholbedarf hat, sollte Google zu denken geben.