Der Kompromiss der EU in Bezug auf das Asylthema ist noch keine 24 Stunden alt, und bei den Grünen kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen! Nicht nur an der Basis der Partei brodelt es, sondern auch innerhalb der Fraktion und sogar in der Regierung prallen unterschiedliche Meinungen aufeinander.
Während einige widerwillig loben, dass die EU-Staaten in Zukunft strengere Asylregeln haben werden, protestieren andere lautstark und sagen: “Das akzeptieren wir nicht!” Grünen-Chefin Ricarda Lang (29) kritisiert die EU-Einigung, da sie dem “Leid an den Außengrenzen nicht gerecht wird” und “keine wirkliche Ordnung schafft”. Sie kommt zu dem Schluss, dass Deutschland dem Vorschlag zur GEAS-Reform im Rat nicht hätte zustimmen sollen. Ihr Co-Parteichef Omid Nouripour (47) sieht den Asylkompromiss hingegen als “notwendigen Schritt, um gemeinsam in Europa voranzugehen”. Die derzeitige Situation an den europäischen Grenzen sei für Schutzsuchende “unerträglich”. Er erklärt die unterschiedlichen Meinungen innerhalb seiner Partei mit den Worten: “In der Gesamtschau kommen wir zu unterschiedlichen Bewertungen.”
Fraktionschefin Katharina Dröge (38) lehnt die Einigung ab, da unklar bleibt, wie Flüchtlinge innerhalb der EU künftig verbindlich verteilt werden sollen. Die Asyl-Vereinbarungen würden dem Anspruch auf Solidarität und Humanität in Europa nicht ausreichend gerecht werden, kritisiert Dröge. Anders ihre Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann (61), die sich für den Asylkompromiss ausspricht. Sie betont: “Ein Scheitern würde bedeuten, dass die EU in einer so bedeutenden Frage nicht handlungsfähig wäre. Daher war die Entscheidung heute ein notwendiger Schritt. “Sie appelliert deutlich an die Grünen-Basis: “Uns eint der Respekt, dass andere zu einer anderen Einschätzung kommen.” Kurz nach dem EU-Deal versucht Annalena Baerbock (42, Grüne), ihre eigene Partei zu beruhigen, indem sie sich entschuldigt. Obwohl ihr der Kompromiss als “Außenministerin, Grüne und auch persönlich sehr schwergefallen” sei, halte sie ihn dennoch für richtig, schreibt sie in einem Brief an die Partei.
Der Realo-Flügel der Grünen bedankt sich ebenfalls per Brief bei Baerbock, Habeck, Haßelmann, Dröge, Nouripour und Lang. Andere Töne kommen von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (54), die den EU-Asyl-Deal als “sehr problematisch” bezeichnet. Paus erklärt: “Leider war es nicht möglich, im Rahmen der Verhandlungen mit den anderen Mitgliedstaaten eine pauschale Ausnahme für Kinder und ihre Familienangehörigen zu erreichen.” Auf Paus’ Initiative wurde inzwischen eine Protokollnotiz zum EU-Deal hinzugefügt, in der festgehalten wird, dass die Bundesregierung weiterhin für pauschale Ausnahmen für Familien mit Kindern kämpfen und sich in den Trilogverhandlungen für Verbesserungen einsetzen wird. Paus betont: “Ich werde dies auch persönlich energisch verfolgen. Irland, Luxemburg und Portugal haben sich dem angeschlossen.”