Die Festnahme des russischen Regierungsgegners Alexej Nawalny bei seiner Rückkehr nach Moskau ist international auf scharfe Kritik gestoßen. Die EU verlangte die sofortige Freilassung des Oppositionspolitikers. Auch der designierte Nationale Sicherheitsberater des künftigen US-Präsidenten Joe Biden verurteilt die Festnahme. Nawalny, der nach einem Giftanschlag im Sommer zur Behandlung nach Deutschland gebracht worden war, war am Sonntagabend in seine Heimat zurückgekehrt. Er wurde kurz nach seiner Landung auf einem Moskauer Flughafen festgenommen.
Nawalny hatten den Giftanschlag in Sibirien vor fünf Monaten knapp überlebt. Von Berlin aus, wo er sich von dem Attentat erholte, flog er am Nachmittag nach Moskau. Wenige Minuten nach seiner Landung am Flughafen Scheremetjewo wurde er von Polizisten abgeführt.
Nawalnys Anwältin Olga Michailowa sagte, es sei ihr verboten worden, ihren Mandanten zu begleiten. Nawalny sei kein Grund für seine Festnahme genannt worden. "Alles, was jetzt passiert, verstößt gegen das Gesetz", sagte Michailowa.
Nawalny hatte sich zur Rückkehr nach Russland entschlossen, obwohl die russische Strafvollzugsbehörde FSIN bereits am Donnerstag deutlich gemacht hatte, dass ihm eine sofortige Festnahme drohe. Die FSIN wirft Nawalny vor, wiederholt gegen die Auflagen einer fünfjährigen Bewährungsstrafe verstoßen zu haben. Der Regierungsgegner soll demnach bis zu einer Entscheidung durch ein Gericht im Gefängnis bleiben.
Nawalny betonte kurz vor dem Start der Passagiermaschine in Berlin, er habe keine Angst vor einer Festnahme, da er unschuldig sei. Vielmehr habe er als russischer Bürger das Recht, in seine Heimat zurückzukehren.
Das Flugzeug mit Nawalny und seiner Frau Julia an Bord wurde kurz vor der geplanten Landung zum Flughafen Scheremetjewo im Nordwesten Moskaus umgeleitet. Am ursprünglichen Zielflughafen Wnukowo waren zuvor mehrere Unterstützer des Oppositionspolitikers festgenommen worden.
EU-Ratspräsident Charles Michel verurteilte Nawalnys Festnahme als "inakzeptabel". Er verlangte die "sofortige Freilassung" des Oppositionspolitikers. Frankreich schloss sich der Forderung an. Nawalny müsse umgehend auf freien Fuß gesetzt werden, erklärte das Außenministerium in Paris.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte im Onlinedienst Twitter, eine "Politisierung" der Justiz sei nicht hinnehmbar. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis brachte Sanktionen gegen die für die Festnahme verantwortlichen Funktionäre in Russland ins Spiel.
Auch Bidens designierter Sicherheitsberater Jake Sullivan verurteilte die Festnahme des Kreml-Kritikers. "Herr Nawalny sollte umgehend freigelassen werden, und die Verantwortlichen für den abscheulichen Angriff auf sein Leben müssen zur Rechenschaft gezogen werden", schrieb Sullivan auf Twitter.
Die Grünen im Europaparlament verlangten eine entschlossene Antwort sowohl von der EU als auch von der Bundesregierung. "Ich erwarte, dass hier möglichst schnell und klar und deutlich reagiert wird", sagte der Europa-Abgeordnete der Grünen, Sergey Lagodinsky, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Montagsausgaben).
Nawalnys Maschine sollte ursprünglich auf dem Moskauer Flughafen Wnukowo landen. Dort war bereits Stunden zuvor ein großes Polizeiaufgebot postiert, vor dem Airport parkten zahlreiche Mannschaftswagen.
Nawalny hatte seine Unterstützer dazu aufgerufen, ihn am Flughafen Wnukowo "abzuholen". Mehr als 2000 Menschen kündigten im Online-Netzwerk Facebook an, trotz klirrender Kälte bei Temperaturen von minus 20 Grad zu kommen. Auch mehrere Oppositionsaktivisten aus St. Petersburg wollten nach Moskau reisen. Sie wurden nach eigenen Angaben aber am Bahnhof und am Flughafen der zweitgrößten russischen Stadt von der Polizei aufgehalten.
Mehrere Anhänger und Vertraute Nawalnys, unter ihnen sein Assistent Ilja Pachomow und die Juristin Ljubow Sobol, wurden am Flughafen Wnukowo vorübergehen festgenommen. Die Nichtregierungsorganisation OWD-Info sprach von insgesamt 55 Festnahmen.
Auf Nawalny war im August in Sibirien ein Mordanschlag mit einem Nervengift verübt worden. Der 44-Jährige wurde nach Deutschland ausgeflogen und in der Berliner Charité behandelt. Nach Analysen von Labors in Deutschland, Frankreich und Schweden sowie der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) wurde bei dem Anschlag der in der Sowjetunion entwickelte Nervenkampfstoff Nowitschok verwendet.
Nawalny wirft dem russischen Geheimdienst vor, hinter seiner Vergiftung zu stecken. Die russische Regierung bestreitet jede Beteiligung an dem Anschlag.
by Von Nikolay KORZHOV