Nach den verheerenden Explosionen im Hafen von Beirut ist im Libanon die internationale Hilfe angelaufen. Ein Team des Technischen Hilfswerk (THW) aus Deutschland kam am frühen Donnerstagmorgen in der libanesischen Hauptstadt an, auch Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz und die Malteser halfen vor Ort. Die EU sicherte 33 Millionen Euro Soforthilfe zu. Als erster ausländischer Staatschef reiste Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in den Libanon. Die libanesische Regierung versprach eine rasche Klärung der Hintergründe der Katastrophe mit über hundert Toten, bei der auch eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft starb.
Zwei gewaltige Explosionen hatten am späten Dienstagabend die Stadt erschüttert. Nach jüngsten Angaben der Behörden wurden dabei mindestens 137 Menschen getötet und mehr als 5000 weitere verletzt, Dutzende werden noch vermisst. Bis zu 300.000 Menschen wurden obdachlos, halb Beirut ist demnach zerstört oder beschädigt. Die fieberhafte Suche nach Überlebenden in der Trümmerlandschaft ging am Donnerstag weiter.
Unter den Toten ist nach Angaben von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) auch eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft. Die Frau sei in ihrer Wohnung ums Leben gekommen. Maas sprach den Angehörigen der Deutschen und den übrigen Botschaftsmitarbeitern sein Beileid aus.
"Libanon ist nicht alleine", schrieb Präsident Macron kurz nach seiner Ankunft im Onlinedienst Twitter. Am Flughafen in Beirut wurde er von seinem Amtskollegen Michel Aoun in Empfang genommen. Dort erklärte Macron, er wolle für weitere internationale Hilfen für das Land werben und auch helfen, diese zu organisieren. Zugleich forderte Reformen von der Regierung in Beirut. Frankreich hatte am Mittwoch bereits medizinische Ausrüstung und Hilfspersonal entsandt.
Zahlreiche weitere Regierungen boten ihre Hilfe an. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sicherte die Unterstützung Deutschlands zu. Die Bundesregierung stellte unter anderem eine Million Euro für Soforthilfe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Beirut zur Verfügung. Die Libanesen "benötigen dringend Hilfe von außen", sagte DRK-Regionalleiter Ulrich Wagner der ARD, dessen Wohnung ebenfalls durch die Explosion zerstört wurde.
Das THW flog 50 Helfer ins Krisengebiet, die bei der Bergung von Verschütteten helfen sollen. Die Maschine kam am frühen Morgen an, wie das THW bestätigte. Auch ein Erkundungsteam der Bundeswehr sollte am Donnerstag eintreffen. Hilfsorganisationen wie die Malteser und die Caritas kündigten Soforthilfe an und riefen zu Spenden auf.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sicherte 33 Millionen Euro Soforthilfe zu. Weitere Hilfsleistungen könnten nach einer Prüfung vor Ort folgen, erklärte sie. Bereits am Mittwoch hatte die EU mehr als hundert speziell ausgebildete Einsatzkräfte und medizinisches Gerät in den Libanon entsandt.
Die genauen Hintergründe der Katastrophe blieben weiter unklar. US-Präsident Donald Trump hatte zunächst spekuliert, es habe sich um einen Anschlag gehandelt. Explodiert waren nach Behördenangaben 2750 Tonnen Ammoniumnitrat, das jahrelang ohne die nötigen Sicherheitsvorkehrungen in einer Lagerhalle untergebracht war. Ammoniumnitrat kann für Düngemittel oder zur Herstellung von Sprengstoff verwendet werden.
Libanons Außenminister Charbel Wahbe sprach am Donnerstag von einem "schrecklichen Verbrechen der Fahrlässigkeit". Eine eingesetzte Untersuchungskommission habe "maximal vier Tage Zeit, einen detaillierten Bericht über die Verantwortlichkeiten vorzulegen". Das Lagerhaus mit dem Material war in heruntergekommenem Zustand und die Entfernung des "gefährlichen" Materials aus dem Hafen schon länger vorgesehen gewesen, wie Behördenmitarbeiter der Nachrichtenagentur AFP sagten.
Die Explosionen schürten die Frustration über Libanons Regierung. In Onlinenetzwerken forderten viele Menschen den Rücktritt des gesamten Kabinetts. Schon zuvor hatte es immer wieder Massenproteste gegeben. Das Land steckt in einer schweren Wirtschaftskrise, fast die Hälfte der Bevölkerung lebt in Armut. Viele Libanesen werfen den Behörden Korruption und Inkompetenz vor.
Auch bei den Aufräumarbeiten und der Aufnahme von Obdachlosen organisiert sich die Bevölkerung nun häufig selbst. "Hätten wir einen richtigen Staat, dann wäre er seit gestern auf den Straßen beim Aufräumen gewesen", sagte die freiwillige Helferin Melissa Fadlallah.
by Von Rouba el Husseini und Tony Gamal-Gabriel