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Internationale Gemeinschaft verstärkt Bemühungen zur Beruhigung der Lage in Nahost

EU-Außenminister beraten über Konflikt - Biden für Waffenruhe

Angesichts der nicht abreißenden Gewalt im Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern verstärkt die internationale Gemeinschaft ihre diplomatischen Anstrengungen zur Beruhigung der Lage. In einer Video-Konferenz wollten die EU-Außenminister an diesem Dienstag ausloten, "wie die EU am besten zu einem Ende der derzeitigen Gewalt beitragen kann", wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte. Auch der UN-Sicherheitsrat kommt am Dienstag erneut zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen.

Trotz der internationalen Appelle für eine Waffenruhe setzten beide Seiten ihre Angriffe auch in der Nacht zum Dienstag mit unverminderter Härte fort. Nach einem israelischen Luftangriff stiegen in Gaza über einem Gebäude Flammen und schwarzer Rauch auf, wie ein AFP-Journalist berichtete.

Laut dem Gesundheitsministerium im Gazastreifen war zuvor das einzige Labor zur Auswertung von Corona-Tests in dem Palästinensergebiet teilweise zerstört worden. Auch das Gesundheitsministerium selbst und ein Büro der Hilfsorganisation Roter Halbmond aus Katar wurden demnach getroffen.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte am Montagabend angekündigt, die Luftwaffe werde ihre Angriffe auf "terroristische Ziele" im Gazastreifen fortsetzen. Nach Armeeangaben feuerten die bewaffneten Palästinensergruppen in der Nacht zum Dienstag 70 Raketen auf Israel ab. Im Süden Israels war am Morgen erneut Raketenalarm zu hören, viele Familie flüchteten sich in Schutzräume. Die israelische Armee bombardierte ihrerseits dutzende Ziele in dem von der radikalislamischen Hamas regierten Küstengebiet.

Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern war Anfang der vergangenen Woche wieder massiv eskaliert. Einer der Auslöser war die drohende Zwangsräumung palästinensischer Wohnungen in Ost-Jerusalem.

Seitdem wurden laut israelischer Armee rund 3400 Raketen aus dem Gazastreifen Richtung Israel abgefeuert. Die israelische Armee reagierte mit Luftangriffen auf Einrichtungen der Hamas und anderer militanter Gruppen. Nach palästinensischen Angaben wurden im Gazastreifen bereits 213 Menschen getötet, darunter 61 Kinder. Durch die Raketenangriffe der Hamas wurden in Israel zehn Menschen getötet, darunter ein Kind.

Internationale Staats- und Regierungschefs appellierten zuletzt immer eindringlicher an die Konfliktparteien, eine Waffenruhe herbeizuführen. Auch US-Präsident Joe Biden signalisierte am Montag in einem Telefonat mit Netanjahu erstmals seine "Unterstützung für eine Waffenruhe".

Zugleich sicherte Biden Netanjahu erneut die Solidarität der USA zu und bekräftigte das Recht Israels, sich in Selbstverteidigung gegen die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen zur Wehr zu setzen. Israel solle aber alles dafür tun, um "das Leben unschuldiger Zivilisten zu schützen".

US-Außenminister Antony Blinken hatte zuvor erklärt, die USA würden sich weiter mit "intensiver Diplomatie" darum bemühen, die "derzeitige Spirale der Gewalt" zu beenden. "Wir sind bereit, Unterstützung zu leisten, wenn die Parteien eine Waffenruhe anstreben."

Eine gemeinsame Stellungnahme des UN-Sicherheitsrat zum Nahost-Konflikt scheiterte bislang am Widerstand Washingtons. Am Dienstag soll nun erneut eine Dringlichkeitssitzung zum Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern stattfinden.

Um eine Waffenruhe in dem Konflikt wollen sich nach Angaben der französischen Präsidentschaft am Rande der Afrika-Hilfskonferenz in Paris am Dienstag auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, sein ägyptischer Kollege Abdel Fattah al-Sisi sowie Jordaniens König Abdullah II. bemühen.

Israel schloss derweil wieder einen Übergang in den Gazastreifen, der für humanitäre Lieferungen von internationalen Organisationen geöffnet worden war. Als Grund gaben die israelischen Behörden an, dass der Übergang Kerem Schalom beschossen worden sei, während Lastwagen mit humanitärer Hilfe dort unterwegs waren. Beobachter befürchten eine humanitäre Katastrophe im bitterarmen Gazastreifen. Nach UN-Angaben wurden durch die jüngste Gewalteskalation fast 40.000 Palästinenser vertrieben, 2500 wurden obdachlos.

Die Gewalt hatte in den vergangenen Tagen auch auf das Westjordanland übergegriffen. Bei Zusammenstößen zwischen Palästinensern und der israelischen Armee wurden dort seitdem 21 Menschen getötet. Die Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas rief für Dienstag zu einem "Tag des Zorns" und zu einem Generalstreik auf.

by Von Mai YAGHI