Eine Sahra-Wagenknecht-Partei würde nach einer Insa-Umfrage für die "Bild am Sonntag" aus dem Stand auf 14 Prozent kommen. Am stärksten geschwächt wäre in einem solchen Szenario die AfD, wie die Zeitung unter Verweis auf die Befragung schrieb. Die Partei käme auf 17 Prozent, das sind vier Prozentpunkte weniger als beim regulären "Sonntagstrend" des Meinungsforschungsinstituts.
Die SPD käme bei einem Szenario mit Wagenknecht auf 15 Prozent, das ist ein Punkt weniger als beim regulären "Sonntagstrend" für diese Woche. Die Union käme auf 29 Prozent. Bei der Abfrage des Wahlverhaltens ohne Wagenknecht-Partei würde die CDU/CSU 31 Prozent erreichen. FDP und Grüne würden mit fünf und zwölf Prozent mit Wagenknecht jeweils einen Punkt einbüßen: Der reguläre "Sonntagstrend" sieht die Liberalen bei sechs und die Grünen bei 13 Prozent.
Für die Linke entschieden sich bei der Wahlabfrage vier Prozent - egal ob unter Einschluss der Wagenknecht-Partei oder ohne. Viele Stimmen könnte Wagenknecht aber bei den Wählern der sonstigen Parteien holen: Im regulären "Sonntagstrend" vereinten diese neun Prozent auf sich (davon drei Prozent für die Freien Wähler). Stünde auch das Wagenknecht-Bündnis zur Wahl, kämen die sonstigen Parteien nur auf vier Prozent.
Das Insa-Institut befragte für den regulären "Sonntagstrend" diese Woche 1216 Bundesbürger. Die Fehlertoleranz wurde mit bis zu plus/minus 2,9 Prozentpunkten angegeben. Außerdem wurden am Donnerstag und Freitag 1005 Menschen gefragt, was sie wählen wurden, "wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre und es eine 'Sahra-Wagenknecht-Partei' gäbe".
Wagenknecht hatte am vergangenen Montag ihr "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) vorgestellt und angekündigt, im Januar eine neue Partei zu gründen. Gemeinsam mit neun weiteren Abgeordneten erklärte sie den Austritt aus der Linken. Ihre Bundestagsmandate wollen die Abtrünnigen aber nicht zurückgeben, zudem wollen sie vorerst weiter der Linken-Fraktion angehören.
Linken-Chef Martin Schirdewan geht nicht davon aus, dass die zehn Abgeordneten noch bis zur anvisierten Parteineugründung der Fraktion angehören werden. "Ich halte das nicht für möglich", sagte Schirdewan der "wochentaz". Er wiederholte seine Aufforderung, die Mandate zurückzugeben. Ohne die abtrünnigen Abgeordneten verliert die Linke ihren Fraktionsstatus.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warnte davor, die künftige Wagenknecht-Partei oder die AfD zu wählen. "Eine Parteigründung von Sahra Wagenknecht bereichert vor allem die populistischen Auswüchse in unserer Parteienlandschaft, damit müssen wir umgehen", sagte Mützenich der Düsseldorfer "Rheinischen Post".
Kritik am Kurs des neuen Bündnisses kam auch von Wirtschaftsverbänden. Der Deutsche Mittelstands-Bund nannte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) dessen Positionen "austauschbar". Es gebe keine "Ansatzpunkte, die wirtschaftspolitische Vernunft oder umsetzbare Lösungsvorschläge" erkennen ließen.
Auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) äußerte sich skeptisch. "Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen. Ob eine weitere Zersplitterung der Parteienlandschaft hilfreich ist, bleibt fraglich und wird von uns kritisch gesehen", zitierte die "FAS" den Verbandsvorsitzenden Christoph Ahlhaus.
Der Karlsruher Millionär und Schatzmeister des Wagenknecht-Vereins, Ralph Suikat, zeigte sich indes zufrieden mit der Unterstützung aus der Wirtschaft. Bisher sollen sich rund 30 Unternehmer dem BSW angeschlossen haben, schrieb Suikat demnach in einer Mail an die "FAS".
Nach Angaben von Linken-Bundesgeschäftsführer Tobias Bank verzeichnet die Partei seit dem Austritt Wagenknechts einen Mitgliederzuwachs. Bei der Parteizentrale in Berlin und mehreren Landesverbänden seien seit vergangenem Montag deutlich mehr Anträge für Parteieintritte eingegangen als für Austritte, sagte Bank am Sonntag dem Portal "Zeit Online". Bis Freitagmittag habe die Parteizentrale 331 Eintritte und 195 Austritte registriert.
Allgemein kämpft die Linke seit langem mit sinkenden Mitgliederzahlen. Ende 2022 zählte die Partei gut 54.000 Mitglieder, ein Jahr zuvor waren es noch mehr als 60.000.
cha/bro