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Inflationsrate im August weiterhin auf Rekordhoch

Grund sind insbesondere Sondereffekte der Corona-Pandemie

Nachdem die Inflationsrate bereits im Juli sprunghaft auf 3,8 Prozent angestiegen war, stieg die Teuerungsrate im August weiter auf ein Rekordhoch von 3,9 Prozent im Vorjahresvergleich. Das teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Montag auf Grundlage vorläufiger Ergebnisse mit. Im Vergleich zum Vormonat Juli blieben die Verbraucherpreise demnach unverändert. Eine höhere Inflationsrate gab es zuletzt im Dezember 1993 mit 4,3 Prozent.

Preistreibend wirkte nach Angaben des Bundesamtes vor allem der Preisanstieg im Energiesektor, der im Jahresvergleich 12,6 Prozent ausmachte. Auch die Preise für Lebensmittel stiegen mit plus 4,6 Prozent überdurchschnittlich stark. Bei Dienstleistungen war der Preisanstieg dagegen mit plus 2,5 Prozent geringer. Dazu zählen auch die Mieten, die um durchschnittlich 1,3 Prozent anstiegen.

Das Statistische Bundesamt verwies allerdings, ebenso wie schon im Vormonat, auf eine Reihe von Sondereffekten in Verbindung mit der Corona-Pandemie. So hätten die zeitweise Senkung der Mehrwertsteuer und der Preisverfall bei Mineralölprodukten die Inflationsrate in der zweiten Jahreshälfte 2020 stark gedrückt, was diese nun rechnerisch wieder nach oben treibe. Dazu kämen generelle Auswirkungen der Corona-Krise und der damit verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens.

Auch der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien, sah die Ursachen der hohen Inflationsrate in "vorübergehenden Faktoren". Allein den Einfluss der zwischenzeitlichen Mehrwertsteuersenkung auf die gemessene Inflationsrate schätzte der Experte auf knapp einen Prozentpunkt.

"Ohne die Sondereffekte der Mehrwertsteuererhöhung, der Energiepreise und des ungewöhnlichen Sommerwetters läge derzeit die Inflation bei rund zwei Prozent", erklärte Dullien. Auch Lieferschwierigkeiten von Vorprodukten ließen demnach die Verbraucherpreise ansteigen. Die hohen Inflationsraten werden jedoch "nur einige Monate" anhalten, die Auswirkungen auf das Gesamtjahr seien deshalb begrenzt. "Für das Gesamtjahr 2021 ist nun - einschließlich der Sondereffekte - mit einer Inflation zwischen 2,5 und drei Prozent zu rechnen", erklärte Dullien weiter.

Auch die Chefsvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib, rechnete mit einer Rückkehr der Inflationsrate auf ein niedrigeres Niveau. Die Preise weniger schwankungsanfälliger Güter seien in den letzten Monaten deutlich weniger gestiegen als etwa Energie- und Nahrungsmittelpreise. Allerdings könnten sich die Lieferengpässe in der Industrie auch bei den Verbraucherpreisen bemerkbar machen, wenn diese länger als erwartet andauerten, warnte Köhler-Geib. "Die zuletzt stark angestiegenen Erzeugerpreise könnten ein erstes Indiz in diese Richtung sein".

Der Leiter des Forschungsbereichs Öffentliche Finanzwirtschaft am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Friedrich Heinemann, sah angesichts der hohen Inflationsrate hingegen "schwere Monate" auf die Europäische Zentralbank (EZB) zukommen. Er warnte vor einem Vertrauensverlust in die Stabilität des Geldwerts, was bei Lohnabschlüssen zu Inflationsaufschlägen führen könne. So werde die Preissteigerung weiter angeheizt. "Ein einfaches 'Weiter so' mit der extrem expansiven Geldpolitik darf nicht länger die zentrale Botschaft in der Kommunikation durch das EZB-Direktorium sein", erklärte Heinemann.

Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, mahnte vor einem "Inflationshammer" und forderte die Bundesregierung auf, Maßnahmen gegen die steigende Inflation zu ergreifen. "Geldentwertung in diesem Ausmaß ist ein Lohn- und Wohlstandsfresser und Sozialabbau durch die Hintertür", sagte Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstagsausgaben). "Wir brauchen eine Inflationsbremse, die an vielen Stellen ansetzt und gegensteuert". Als Beispiele nannte Bartsch den öffentlichen Verkehr und Energiekosten.

by INA FASSBENDER