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In Frankreich und Belgien droht wegen dramatischer Corona-Lage erneuter Lockdown

In Italien wachsen Wut und Verzweiflung über Corona-Maßnahmen

Angesichts der dramatischen Corona-Lage stehen Frankreich und Belgien offenbar vor einem neuen Lockdown. Der französische Innenminister Gérald Darmanin sagte am Dienstag vor einer Krisensitzung des Kabinetts, "harte Entscheidungen" seien unausweichlich. In Belgiens französischsprachigen Landesteil und in der Hauptstadt Brüssel galt bereits ein "teilweiser Lockdown", in Flandern stand am Abend eine Krisensitzung über die gleichen Maßnahmen an. In Italien wuchsen unterdessen die Wut und Verzweiflung über immer schärfere Auflagen.

Der Vorsitzende des Corona-Beirats der französischen Regierung, Jean-François Delfraissy, sagte, die Wissenschaftler seien "von der Brutalität der Entwicklung der vergangenen zehn Tage überrascht worden". Diese Entwicklung vollzog sich, obwohl seit dem 17. Oktober bereits eine Ausgangssperre zwischen 21 Uhr und sechs Uhr morgens gilt, von der inzwischen 46 Millionen Bürger und damit zwei Drittel der französischen Bevölkerung betroffen sind.

Delfraissy hielt zwei Szenarien für eine weitere Verschärfung für denkbar: Eine "massive" Ausweitung der abendlichen Ausgangssperre oder einen direkten Lockdown. Anders als im Frühjahr könnten aber nach seinen Angaben Schulen und bestimmten Wirtschaftszweigen eine Öffnung unter strengen Auflagen erlaubt bleiben. Präsident Emmanuel Macron wollte mit dem Kabinett bis Mittwoch über die verschärften Maßnahmen beraten, danach sollen diese verkündet werden.

Am Wochenende hatte die Zahl der täglichen Neuinfektionen in Frankreich erstmals die Schwelle von 50.000 überschritten. Mehr als die Hälfte der Betten auf französischen Intensivstationen sind mit Corona-Patienten belegt, in Paris sind es sogar rund 70 Prozent.

Belgien, das nach Tschechien die zweithöchste Rate bei den Neuinfizierungen in der EU verzeichnet, versuchte bisher, allgemeine Lockdown-Maßnahmen auf nationaler Ebene zu vermeiden. Nun aber kommen offenbar doch landesweit einheitliche Regeln.

Brüssel und die französischsprachige Wallonie haben bereits die landesweit von Mitternacht bis fünf Uhr geltende Ausgangssperre auf 22 bis sechs Uhr ausgeweitet. Heimarbeit ist vorgeschrieben, wenn dies machbar ist. Museen, Kirchen und Sportstätten mussten schließen, Restaurants und Bars sind schon länger dicht.

Angesichts von mittlerweile explodierenden Infektionsraten in den flämischen Provinzen Ostflandern, Westflandern und Limburg wurde damit gerechnet, dass sich die flämische Regionalregierung bei ihrer Krisensitzung am Dienstagabend der Politik des "teilweisen Lockdown" anschließen.

In Tschechien tritt am Mittwoch und bis zum 3. November eine nächtliche Ausgangssperre zwischen 21 Uhr und 5.00 Uhr in Kraft. Das hatte angesichts der rasanten Ausbreitung des Coronavirus bereits vergangene Woche strenge Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen erlassen. Viele Läden mussten schließen; Restaurants und Bars waren schon vorher geschlossen worden. Nach den Worten von Gesundheitsminister Roman Prymula hatten die Beschränkungen jedoch nur "geringfügige Auswirkungen" - nun kommt die nächtliche Ausgangssperre.

In Italien reißen unterdessen die teils gewaltsamen Proteste gegen die verschärften Corona-Auflagen nicht ab: Tausende Menschen gingen am Montagabend erneut gegen die rigiden Einschränkungen auf die Straßen. In einigen Städten, darunter Mailand, kam es nach Angaben des italienischen Fernsehens wie schon am Wochenende zu Krawallen.

Italiens Regierungschef Giuseppe Conte hatte am Sonntag nach einer erneuten Rekordzahl an Corona-Neuinfektionen weitere Beschränkungen angekündigt. Seit Montag sind Kinos, Theater und Fitnessstudios für einen Monat geschlossen. Für Restaurants und Bars wurde die ab Mitternacht geltende Sperrstunde auf 18.00 Uhr vorverlegt.

by Fred SCHEIBER