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In Deutschland droht ein Verbot der Prostitution

Politiker wollen das nordische Modell einführen

In Deutschland gilt: Wer Geld für Sex bezahlen will, darf das auch. Wer seinen Körper verkaufen möchte, ebenso (allerdings erfordert das Prostituiertenschutzgesetz eine Anmeldung). Doch das könnte sich bald ändern, bis hin zum Komplett-Verbot! Folge wäre dann: Freier würden sich beim Sex-Kauf strafbar machen, Prostituierte aber straffrei bleiben.

Das nordische Modell als Lösungsansatz

Politiker mehrerer Parteien wollen die aktuelle Gesetzes-Lage kippen und das sogenannte nordische Modell einführen, wie es in Skandinavien, Frankreich und Irland gilt. Das berichtet die "WELT" (gehört wie BILD zu Axel Springer). Hintergrund: In der Branche geht es Experten zufolge mit deutlich mehr Zwang und Gewalt zu, als viele annehmen.

Prostitution als Zwangsarbeit

"Mehr als 90 Prozent der Prostituierten – es sind meistens Frauen – verkaufen ihren Körper nicht freiwillig. Sie sind vielfach Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel", sagte der Verfassungsrechtsanwalt Ulrich Rommelfanger, der mit der Sozialethikprofessorin Elke Mack eine Forschungsarbeit zum Thema erstellt hat. Die Frauen "müssen tagtäglich schwere Körperverletzung durch gewalttätige Freier und Zuhälter erdulden", sagte Mack. "Sie leiden deshalb unter psychischen Traumatisierungen, wie wir sie sonst nur von Folteropfern und Kriegsveteranen kennen." Die Beweislage sei "so niederschmetternd, dass wir die derzeitige Gesetzgebung zur Prostitution für verfassungswidrig erachten".

Klage beim Bundesverfassungsgericht geplant

Die SPD-Politikerin Leni Breymaier (63) sagte der "WELT": "Die derzeitige Gesetzeslage führt zu einem dauerhaften Verstoß gegen die in Artikel 1 Grundgesetz festgelegte Menschenwürde und ist damit aus meiner Sicht verfassungswidrig." Sie will eine Klage beim Bundesverfassungsgericht prüfen, braucht dafür 184 Abgeordnete als Unterstützer. "Es gibt durchaus Chancen, diese Mehrheit zu erreichen. Auch bei SPD und Grünen gibt es kritische Abgeordnete, in der Union sowieso."

Auch CDU/CSU für ein Sexkauf-Verbot

Tatsächlich laufen sich auch CDU/CSU für ein Sexkauf-Verbot warm. Vize-Fraktionschefin Dorothee Bär (45, CSU) sagte der Zeitung: "Die Situation für Menschen in der Zwangsprostitution – und das sind fast alle der geschätzten 250.000 Prostituierten in unserem Land, darunter auch viele Minderjährige – ist so katastrophal wie noch nie." Bär: "Ich persönlich glaube, dass es dem Staat unmöglich ist, Frauen in der Prostitution zu schützen, sondern wir müssen sie vor der Prostitution schützen."

Zweifel an den Plänen

Andere Politiker haben jedoch Zweifel an den Plänen. So befürchtet etwa die Grünen-Politikerin Denise Loop (29), dass die Gewalt gegenüber Prostituierten bei einem Verbot zunehmen würde. Ähnlich äußerte sich in der "WELT" die frauenpolitische Sprecherin der FDP, Nicole Bauer (36). Auch die AfD positionierte sich gegen ein solches Verbot.